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Staatsoper Hamburg – Madama Butterfly: Zauber für einen regnerischen Nachmittag

Titelbil: Bernd Uhlig (2012)

Am 4.2.2024 fand an der Staatsoper Hamburg die letzte Vorstellung dieser Serie von Giacomo Puccinis Madama Butterfly statt. Ist die Produktion von Vincent Boussard (Regie) und Vincent Lemoire (Bühne) optisch auch sehr minimalistisch gehalten, so sorgen nicht nur Boussards intelligente Personenführung und die Kostüme von Christian Lacroix, besonders des 1.Aktes, für eine Atmosphäre, die aus einem regnerischen Hamburger Sonntagnachmittag entführt. Elena Guseva als hinreißende, junge Geisha Butterfly, Stefano La Colla als westlich-überheblicher Pinkterton, Simone Piazzola als Scharpless, dem umsichtigen Vermittler zwischen Kulturen, und Ida Aldrian als Butterflys treue Zofe Suzuki sorgten zusammen mit dem Philharmonischen Staatsorchester unter der Leitung von Alexander Joel in jeder Hinsicht für eine Aufführung, deren Besuch sich lohnte. Dies wurde zu Recht mit begeistertem Schlussapplaus quittiert.

Trailer der Premierenserie 2012

Auf den ersten Blick ist es eine sehr romantische, wenn auch tragische Geschichte, die Story um die 15- jährige Geisha Cio-Cio San und den Marineleutnant F.B. Pinkerton, der für 999 Jahre ein monatlich kündbares Haus samt junger Geisha mietet. Cio -Cio San glaubt sich wirklich verheiratet, sieht sich fortan als Amerikanerin. Sie nimmt sogar den christlichen Glauben an, wird von ihrer Familie verstoßen und zerbricht drei Jahre später, nun Mutter eines zweijährigen Sohnes, daran, dass ihr Traum nur eine Illusion war. In der Hamburger Version ist sogar diese Illusion dargestellt durch (eine) Puppe(n) in Marine-Galauniform.

Alle Fotorechte : Bernd Uhlig (2012)

Doch im Grunde ist es ein soziales Drama, das sich beschämender auf die eine oder andere Weise selbst heute noch abspielt. Boussard und Team gelingt es durch viele Kleinigkeiten zu faszinieren, obwohl oder gerade weil, das Bühnenbild alles andere als überladen ist. Da ist jene Treppe, die von der Unterbühne auf den Schnürboden führt, frei schwebend und vom Sti her an eine Helix, eine „Hexentreppe“ wie wir sie als Kinder aus Papier formten oder eine grafisch sehr stilisierte japanische Schwarzfichte erinnernd. Meine Fantasie oder Symbolismus des Produktionsteams? Ich weiß es nicht. Doch die Wirkung, manchmal als extreme Ablehnung seitens des Publikums, bleibt unbestritten. Auch, dass Butterfly sich in zweiten Akt sehr westlich kleidet und stolz ist auf den ausladenden Sessel wie auch den Standaschenbecher, ist folgerichtig und irgendwie sinngebender, als das oft so demonstrativ angewandte übergroße Sternenbanner anderer Produktionen. Subtil, doch bedeutsam auch, dass sich selbst in den traditionellen asiatischen Kostümen überall westliche Symbole, wie z. B. Hüte, wiederfinden. Erwähnenswert ist auch die wunderbare Lichtregie von Guido Levi und der Video-Bild Hintergrund mit den zart roten Mohnblumen, die sich, phosphoreszierend und schwarz /lila, auf dem Vorhangprospekt vor der Vorstellung und während der Pause wiederfinden. Steht roter Mohn auch in der asiatischen Kultur unter anderem für Leidenschaft, so steht schwarzer unter anderem für Abschied und Geheimnisse und violetter unter anderem für Luxus und Erfolg. Von mir überinterpretiert in diesem Zusammenhang? Vielleicht … doch für mich passt es.

Alle Fotorechte : Bernd Uhlig (2012)

Die Oper beginnt mit Klängen, die eine hektische Spannung verbreiten, eher negativ dunkel anmutend als freudig die bevorstehende „Hochzeit“ erwartend. Giacomo Puccini ist und bleibt ein -DER?- Meister emotionaler Tonbildmalerei. Pinkertons Arroganz und Verbundenheit zur westlichen Kultur und vor allem der USA, ist genauso deutlich hör-und fühlbar, wie seine Begierde und am Ende sein Entsetzen über den Selbstmord Butterflys als Folge seiner Gedankenlosigkeit. Besonders berührend auch, dass der berühmte Summchor dieselbe Melodie hat, wie die Beigeleitklänge, wenn Scharpless Butterfly Pinkertons Brief vorliest. Ein Brief, dessen Inhalt von einem Ende der Beziehung kündet, aus dem Butterfly aber nur heraushört was ihre schwärmerische Hoffnung nährt. Es gibt noch viele Beispiele, auch für Puccinis Geschick Leitmotive zu verwenden, an diesem Nachmittag brachten alle Musiker*innen im Graben Puccinis Intentionen glänzend zur Geltung.

Alle Fotorechte : Bernd Uhlig (2012)

Ebenso, auch dank Boussards gekonnter Personenführung, zeichnen die Darsteller*innen auf der Bühne ein mitreißendes und glaubwürdiges Bild aller handelnden Personen. Das gilt für den Chor der Hamburgischen Staatsoper ebenso wie für Andrew Dickinson als herrlich schmieriger Vermieter/Heiratsvermittler Goro oder die Kurzauftritte von Claire Gascoin als Pinkertons wahre Ehefrau Kate, Mateusz Ługowski als Butterflys steinreicher, gediegen auftretender Verehrer Il Principe Yamadori oder Tigran Martirossian als Lo Zio Bonzo.

Ida Aldrian besticht in der Partie der Suzuki gleichermaßen durch ihren so unverkennbaren, dunkelgetönten Mezzosopran wie auch ihr intensives Spiel. Suzuki versucht mit allen Mittel Butterfly zu verstehen, spiegelt oft im Hintergrund deren enthusiastische Gesten, sieht sich aber gleichzeitig in der Position, den „Boten böser Nachrichten“ zu spielen. Aldrian gelingt es, durch ihren Gesang wie durch ihre Darstellung, Mitgefühl für diese Dienerin zu erwecken.

Alle Fotorechte : Bernd Uhlig (2012)

Simone Piazzolas Sharpless‘ gebührt auf jeden Fall unsere Sympathie und unser Mitgefühl. Er ist, durch seine Gestik, seine Mimik, seine gesamte Ausstrahlung und auch die Modulation seiner Stimme, der warmherzigste Sharpless, den ich je auf der Bühne erlebt habe. Sein voller, weich und warm tönender, stets sicher geführter Bariton unterstützt diese Wirkung zusätzlich.

Auch Stefano La Collas Interpretation des amerikanischen Seemannes ließ neue Aspekte in dieser Figur entdecken. Es gehört zu dieser Inszenierung, dass Pinkerton, während er auf seine „Braut“ wartet, mehr als die zwei, drei im Text erwähnten Whiskeys trinkt. Doch bisher ging von den Pinkertons immer ein gewisser Charme aus. Trotz der Bemerkung zu Sharpless: „Ihr puppenhaftes Gehabe macht mich ganz heiß.“
La Colla hingegen scheint ganz auf Begierde und Eroberung aus. Sein „Sei mia!“ hat mehr von Besitzergreifung als von leidenschaftlicher Verführung. Ein absolut faszinierender Aspekt, der nachdenklich macht. Fantastisch auch der Umschwung am Ende: Pinkerton ist aufrichtig ergriffen, bereut. Faszinierend auch sein strahlender Tenor und das ihn zum Glänzen bringende Metall in La Collas Stimme, die in allen Lagen, auch in den Höhen stark. klar und kraftvoll klingt.

Alle Fotorechte : Bernd Uhlig (2012)

Nicht nur weil sie die Titelrolle sang, war die Sopranistin Elena Guseva die Heldin des Nachmittags. Ihre Butterfly ist von einer Reinheit und Naivität, die tief bewegt und vollkommen überzeugt. Sie glaubt Pinkerton jedes Wort, jede Berührung, verliert sich vollkommen in ihrem Traum, der großen, sie von allen östlichen Zwängen endgültig befreienden, Liebe. Selbst in Jeans und T-Shirt vergisst sie nicht die trippelnden Schritte, zu denen sie ein Kimono zwingt. Losgelöst und fast kindlich fröhlich (schließlich ist sie im zweiten Akt gerade ein mal 18 Jahre alt) winkt sie Yamadori zu, als der die Werbung um sie aufzugeben scheint. Der Blick jedoch, den sie ihm nachwirft, spricht eine andere Sprache, sie scheint zu merken, dass ihr Traum von Pinkerton, genau das ist: ein Traum und dass sie gerade eine Chance auf ein gutes Leben, wenn auch in ihrer Heimat, vergab. Ihr Sopran geht ebenfalls unter die Haut, die Leidenschaft und Stimmsicherheit und -schönheit mit der sie den zweiten Akt zum größten Teil allein gestaltet, verdient höchste Bewunderung. Elena Guseva gehört einfach zu jenen, die die jeweiligen Partien mit Herz, Seele, Körper und Gesang zu leben scheinen. Bravissima!!

Fazit: Mit Butterfly fing mein persönliches Opernjahr an, geht es in der Qualität weiter, wird es wunderbar.

Birgit Kleinfeld

Links:
https://www.staatsoper-hamburg.de/

http://www.alexanderjoel.com/

https://www.stefanolacolla.com/

https://www.idaaldrian.at

/https://www.operabase.com/artists/elena-guseva-4675/de

https://www.operabase.com/artists/simone-piazzola-15904/de

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2 Kommentare

  1. Dr. Ralf Wegner 6. Februar 2024

    Schön, dass Sie wieder an Bord sind, leibe Frau Kleinfeld,
    Ihr Ralf Wegner

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