Schon in meiner Jugend gab es Solo- oder auch Duo -Liederabende an der Staatsoper Hamburg. Heute heißt dieses wunderbare, damals wie heute meiner Meinung nach viel zu wenig frequentierte, Format „The Art of …“. Und damals wie heute ist es eine wunderbare Möglichkeit Sänger*innen pur und ohne die Maske einer Bühnenrolle zu erleben. Dieses Mal galt der Abend der Sopranistin Lisette Oropesa, die für Lise Davidson einsprang und damit ihr Hausdebüt an der Staatsoper Hamburg gab. Sie und ihr Pianist Alessandro Pratico bescherten dem begeisterten Publikum einen interessanten, unterhaltsamen und vor allem klangschönen Abend, der mit viel Applaus und Jubel honoriert wurde.
Lisette Oropesa verfügt über einen wunderschönen, wunderbaren, lyrischen Koloratursopran, den sie nicht nur bei den Höhen und Koloraturen mit bewunderungswürdiger Leichtigkeit führt. Den ersten Teil widmeten der in Kalabrien geborene Pratico und die Amerikanerin Oropesa Spanien und dessen charakteristisch feurigen Rhythmen und Melodien aus den Federn der vier französischen Komponisten Maurice Ravel, Leo Delibes, Jules Massenet und Georges Bizet. Oropesa zeigte Temperament und beinahe (zu) überschäumende Fröhlichkeit, faszinierte in erster Linie mit ihrer Stimmkunst, die hier und da recht intensives Vibrato aufwies.
Der zweite Teil begann mit der Arie der Adina aus Gaetano Donizettis L’elisir d’amore. Es folgten Arien/Szenen aus Giuseppe Verdis Opern Stornello und Les vêpres siciliennes wie auch einer Romanze und einer Canzonetta von Servario Mercandante. Auch hier erwies sich, dass Lisette Oropesa zu recht an allen renommierten Häusern der Welte ein gern gesehener Gast ist. Vielleicht „hören“ Sie es schon, das „aber“, das nun folgt. Und ja, für meinen ganz persönlichen Geschmack fehlte, zumindest an diesem Abend, das gewisse Etwas, das Gefühl, das dafür sorgt, dass das Gesungene unter die Haut geht und berührt. Mir fehlte die empathische Authentizität, die ich aus der Jugend von Sängerinnen wie Leonie Rysanek, Montserrat Caballé, Mirella Freni und aus neuester Zeit besonders von Elbenita Kajtazi, aber auch von Ermonela Jaho, Barno Ismatullaeva, Olga Peretyatko und einigen anderen kenne.
Doch sind das Namen und Worte, die zeigen wie sehr die Beurteilung großartiger Künstler*innen von den eigenen Werten und Vorlieben abhängt. Völlig begeistert hat mich jedoch der junge Pianist Alessandro Pratico, ein lebendiger, einfühlsamer Begleiter wie auch ein charmanter Moderator, der seine eigenen, brillant vorgetragenen Soli humorvoll auf Deutsch anmoderierte. Und ja, mit einer ihrer Zugaben rührte Oropesa auch mich sehr und zwar mit Robert Schumanns „Im wunderschönen Monat Mai“.
Fazit: Zwei Wünsche habe ich nach diesem umjubelten Abend. Zu einem wünsche ich mir, dass das Format „The Art of …“ auch in der Ära Kratzer erhalten bleibt und zum anderen, dass Lisette Osopera als Protagonistin einer Oper hierher zurückkehrt, wo ich dann (vielleicht) eine Seite entdecke, die mir in ihrem Porträt verborgen blieb.
Birgit Kleinfeld
Links:
https://www.staatsoper-hamburg.de
https://lisetteoropesa.com