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Leon Gurvitch – Musique Mélancolique: „Melancholie, das Vergnügen, traurig zu sein“*

Titelbild: Leon Gurvitch
PhotoCredits: Henriette Mielke

Bereits am 5. Mai dieses Jahres fand das Release-Konzert von Leon Gurvitchs neuester CD – Musique Mélancolique im Kleinen Saal der Elbphilharmonie Hamburg statt. Noch heute bedauere ich, nicht dabei gewesen zu sein bei diesem Abend, der augenscheinlich – und charakteristisch für den Vollblutmusiker und -künstler – viel mehr war als die Werbung für ein neues Produkt oder den Komponisten der einfühlsamen Melodien. Nein, Leon Gurvitch hat stets auch Gäste auf seinen Konzerten, im Mai war es das Hamburger Kammerballett, dessen künstlerischer Leiter der Erste Solist des Hamburg Balletts, Edvin Revazov, ist. Doch zu bedauern, nicht dabei gewesen zu sein, hat etwas vom Jammern über verschüttete Milch, ist doch in vielen Stücken die tiefe Affinität des Komponisten, Bewegung hörbar zu machen, deutlich spürbar.

Leon Gurvitch, Edvin Revazov
PhotoCredits: Jerzy Pruski

„Über Musik zu reden ….

ist wie über Architektur zu tanzen.Frank Zappa hat sicherlich recht mit dieser Aussage, denn Musik ist Gefühl, ist Emotion und der beste Weg eines Musikers uns an seiner Welt teil haben zu lassen. Ich gestehe, ich persönlich verlasse mich beim Schreiben ausschließlich auf diese besondere Sprache, die zum Träumen oder „fühlenden Denken“ verführt und so widme ich mich dem im Begleitheft vom Komponisten, oder seinen Texter*innen, Niedergeschriebenen erst im Nachhinein. Ja, das birgt die „Gefahr“ anderes zu entdecken/empfinden, als es der Komponist beabsichtigt, aber genau ist (für mich) das Spannende: die eigene Idee mit denen des Urhebers zu vergleichen, um zu erfahren, wo es Überschneidungen gibt und wo ein nachträgliches „Ach so,, ja stimmt auch wieder“– angebracht ist

Zuerst höre ich also pur und unvoreingenommen, manchmal getrieben von dem Wunsch, meine nie perfekten, im Laufe der Zeit „eingerosteten“ musikwissenschaftlichen Kenntnisse zu reaktivieren. Würde ich doch gerne entschlüsseln, wie es dem Komponisten/Gurvitch technisch und handwerklich gelingt, Noten zu bildmalerischen Klängen zu machen, die bewegen und beweisen, dass Jean Paul recht hat mit seiner Meinung:

Leon Gurvitch: Melody from Chilldhood (Musique Melancholique )

Musik ist die Poesie der Luft

Und ist nicht auch Luft Bewegung? Auf dieser CD hingegen beschäftigt Gurvitchs Musik auch mit der Poesie der Klänge des Wassers. So beginnt sein Album mit dem Titel Silent Waves, Stille Wellen, die sich ändern. Oder höre ich da nicht auch Wellen von Regentropfen herbstlichen Regens, die an Fenstern herunterrinnen? Beim vierten Stück, Endless River meint man, ähnlich wie bei Bedřich Smetanas Moldau, den Fluss durch sanfte Hügel fließen und (über kleine Steine?) plätschern zu hören.

Zwei weitere von den, insgesamt, sieben Stücken des Zyklus Musique Mélancolique, möchte ich unbedingt noch erwähnen. Der Valse mélancholique (Nr.6), erweckt jene wohlige Tristesse, die innerlich tanzen lässt und dabei nachdenklich macht. Das letzte Lied dieser Sammlung: Melody of Childhood, gleicht einem Kindheits-Klang-Album, das für mich angefüllt ist mit Erinnerungen an Erlebnisse, Personen und vielleicht auch Besonderheiten der Landschaft. Denn ich vermeine hier und da wieder Wasser fließen zu hören. Das, was ich Hauptthema nennen möchte, symbolisiert für mich Interaktionen (ich höre am Anfang einen kurzen Dialog) und viele verschiedene Stimmungen.

Stets jedoch schenkt uns Gurvitchs Musik das Vergnügen der Melancholie, lässt uns an der seinen teilhaben, gibt uns den Mut, die eigene zu entdecken. Das gilt auch für Vocalize, Silentium und Postscriptum und die vier Stücke des Zyklus Songs without Tears.

PhotoCredits: Henriette Mielke

„Musik sollte Feuer im Herzen eines Mannes anzünden…

…und Tränen in die Augen einer Frau bringen.“ So geschlechtsspezifisch wie einst Ludwig van Beethoven empfinde ich die Aufgaben von Musik nicht. Aber Musik ist Gefühl und Emotion, deren Wirkung durch Tanz noch verstärkt werden kann. Beim Releasekonzert bot das von Edvin Revazov gegründete Hamburger Kammerballett, das aus ukrainischen Tänzer*innen besteht, mit Choreografien ihres Gründers Gurvitchs‘ (Teile von? ) Musique Melancholique dar. Doch auch die vier Songs without tears, wirken auf mich wie Lieder, die durch Bewegung interpretiert werden könnten: Den Titel dieses Werkes erkläre ich mir so, dass „das Feuer, das sie in unseren Herzen entzünden“ und „die Tränen, die sie in unsere Augen bringen“, nie von purer Verzweiflung sprechen. Sind auch manchmal Disharmonien zu hören, die durchaus ja negative Gefühle und Momente ausdrücken, so überwiegt zwar nicht Frohsinn, aber Lebenswille, Hoffnung und verklärte Melancholie lassen uns mit stillen Vergnügen traurig sein.

Ist sie auch im Frühjahr erschienen, so gehört Musique Mélancolique doch zu jenen Veröffentlichungen, denen ich gerne das Prädikat „Herbst-und Wintertauglich“ verleihe. Der aus Weißrussland stammende Wahlhamburger Leon Gurvitch gewinnt zu Recht immer mehr Anerkennung, Bekanntheit, ja Berühmtheit weit über Hamburg, ja Europa hinaus. Auch diese CD beweist, dass die Worte, mit denen ich ihn gerne beschreibe, passend sind: Er ist jemand, der seinen Traum lebt und jene, die es möchten, einlädt, an diesem Traum teilzuhaben. Nehmen Sie die Einladung an!?

Birgit Kleinfeld

https://leon-gurvitch.com

https://www.hamburger-kammerballett.de

Birgit Kleinfeld

*Zitat von Victor Hugo

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