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In der Spielzeit 2020/2021 kam der junge Finne Atte Kilpinen zum Hamburg Ballett, eine Spielzeit später wurde er dann Solist, doch nun kehrte er zurück nach Finnland, wo er als Erster Solist beim Finnischen National Ballett engagiert ist.
Von sich reden machte er während seiner Zeit in Hamburg unter anderem als Tadzio in Neumeiers Der Tod in Venedig, Arminta in Sylvia oder auch als Puck in Ein Sommernachtstraum.
Ich freue mich sehr, das er sich bereit erklärte mir für operngestalten via WhatsApp ein Interview zu geben.
Operngestalten (OG): Als Erstes würde ich mich sehr über einen kurzen Einblick in deine Biografie und deine Karriere freuen.
Atte Kilpinen (AK): Mit sieben Jahren habe ich mit Schautanzen begonnen, mit dreizehn dann mit Modern Dancing/Contemporary. Damals entschloss ich mich Tänzer zu werden, bewarb mich, wurde genommen und schloss im Alter von 18 Jahren meine Ausbildung als Tänzer für Contemporary/ Modern Dance ab. Mit 16 besuchte ich in Helsinki eine Ballettaufführung und wusste sofort: Ich möchte Balletttänzer werden! Wir hatten zwar auch während meiner Ausbildung zwei Mal die Woche klassisches Ballett, doch ich nahm dann auch außerhalb der Schule Ballettunterricht. Nachdem ich meine Ausbildung abgeschlossen hatte, wollte ich für zwei Jahre auf eine Ballettschule in Schottland.
Vorher jedoch nahm ich an einem Sommerprogramm teil. Kenneth Greve war der Lehrer des Morgentrainings mit dem Finnischen Nationalballett. Er mochte mich und sagte: „Du solltest dich hier im Nationalballett zeigen.“ „Das würde ich gerne“, antworte ich, „doch ich gehe zwei Jahre auf eine Ballettschule in Schottland. Danach bin ich gerne bereit mich um einen Job zu bewerben.“
Wie dem auch sei, nach Ende des Programms bot er mir wirklich einen Vertrag an. Ich unterschrieb, ging nicht nach Schottland und wurde sofort Mitglied des Ensembles. Zuerst zwei Jahre in der Jungen Compagnie und wechselte dann ins Hauptensemble. Doch hier in Finnland machen beide Ensembles die gleiche Arbeit, abgesehen von einigen zusätzlichen Unterrichtsstunden. Ich bekam anfangs einige kleine Rollen, dann immer größere. Ich durfte wirklich viel tanzen hier in Finnland-.
2019 lernte ich John Neumeier kennen, als er mit dem Finnischen National Ballett Sylvia einstudierte und mich Arminta lernen ließ. Ich tanzte dann als Erste Besetzung in der Premiere. Es war ein großer Erfolg. Und der Rest ist Geschichte
OG: Oder besser es war der Anfang einer ganz neuen Geschichte. Denn in der Spielzeit 2020/21 kamst du nach Hamburg ins Hamburg Ballett wo du ein Jahr später Solist wurdest.
AK: Ja, ich kam 2020 sehr glücklich und auch aufgeregt zum Hamburg Ballet. Ich hatte zwei wundervolle Spielzeiten hier. Ich habe alles sehr geliebt: die Arbeit, die Kreationen, das Repertoire. Es war einfach eine außergewöhnliche Zeit. Dieses Jahr kehrte ich nach Finnland zurück. Denn hier ist mein Leben und ich setze nun meine Arbeit von 2020 fort. Doch ich werde Hamburg immer vermissen. Weißt du, das Merkwürdige ist, wenn du zurückkommst, hast du das Gefühl alles ist wie damals. Aber du selbst hast dich sehr verändert .
OG: Ich stimme dir, wenn auch von der anderen Seite der Bühne aus vollkommen zu, die Produktionen und auch die Tänzer faszinieren mich und auch die Art, wie Neumeier durch Tanz Geschichten erzählt. Für mich ist es eine ganz besondere Compagnie ohne dass ich das in Worte fassen könnte.
AK: Ich glaube der größte Unterschied zu anderen Compagnien ist, dass an anderen Häusern die Choreografien von mehreren unterschiedlichen Choreografen getanzt werden, hier in Hamburg aber fast nur die Werke von John Neumeier. Aber das ist gerade das Schöne, es ist so persönlich, so ganz auf uns Tänzer bezogen. All die unterschiedlichen Schritte die er kreiert, seine Choreografien und all seine Idee, machten die Zusammenarbeit mit ihm für mich zu seinem wahren – ja, einem wahren Geschenk. Hier in Finnland haben wir jeden Monat ein neues Ballett und immer von einem anderen Choreografen, das ist wie gesagt der größte Unterschied zu Hamburg. Dort ist fast alles von John Neumeier und er ist der Beste in dem was er tut.
OG: Was waren Deine Lieblingspartien in Hamburg? Und welche hättest du noch gerne getanzt?
AK: Meine Lieblingsrolle in Hamburg ist der Tadzio in Tod in Venedig.
OG: In dem Ballett habe ich dich zusammen mit Christopher Evans als von Aschenbach gesehen und es war wirklich unglaublich beeindruckend.
AK: Ja, es war auch eine sehr besondere Erfahrung, Gleich nachdem ich im Oktober 2020 zur Compagnie kam arbeiteten wir an dieser Rolle. An diese Zeit und auch die Aufführungen habe ich viele großartige Erinnerungen. Dann liebe ich auch den Puck aus Ein Sommernachtstraum, den ich während des Gastspiel in Baden-Baden tanzen durfte.
OG: Wer ist dein Lieblingschoreograf? Und, nein!! ich möchte jetzt wirklich nicht, dass du nun unbedingt sagst, John Neumeier.
AK: Aber ganz klar, John Neumeier IST wirklich mein Lieblingschoreograf. Ich hatte das Glück in vielen seiner Ballette zu tanzen. Auch die Zusammenarbeit mit ihm im Ballettsaal und auf Proben, ihn als Mensch kennengelernt zu haben und von ihm zu lernen, war das Beste was ich im Leben für meine Karriere erreichen konnte. Ich bin sehr dankbar für all die Möglichkeiten die er mir geboten hat. All die Erinnerungen. Denn er ist nun einmal einfach der Beste.
OG: Das klingt einfach sehr ehrlich und authentisch! Aber dennoch: Gibt es Kompagnien oder Choreografen, egal ob bereits tot oder noch lebend, mit denen du gerne arbeiten würdest oder gearbeitet hättest?
AK: Ich wünsche mir sehr in der Zukunft irgendwann wieder mit John Neumeier zusammen zu arbeiten. Ja, das ist wirklich ein großer Wunsch. Und auch mit Chrystal Pyte würde ich gerne arbeiten. Sie macht großartige Choreografien und ich würde gerne eines Tages in einem ihrer Stücke tanzen.
OG: Du hast an einigen wirklich schönen und ungewöhnlichen Produktionen mitgewirkt. Deine Choreografien zum Prokovjewa Quintett in g-minor or Sibelius‘ Finlandia haben eine ganz eigene Faszination. Besonders weil du die Finlandia zur Popkantele tanzt, einem ungewöhnlichen aber in Finnland populären Instrument. Oder auch Hunt, Tero Saarinens fantastische Interpretation von Stravinskys Sacre du Printemps Und ich liebe einfach auch die Videos bei denen du auf der Straße tanzt.
Langer Rede kurzer Sinn: Drückst du mit mit dieser Art von Tanz deine Gedanken, Emotionen, Gefühle aus? Vielleicht mehr noch als in einer speziellen Rolle?
AK: Ja, zu tanzen ist da wichtigste für mich. Natürlich tanze ich gerne verschiedene Rollen in verschiedenen Balletten. Aber Bewegung ist das Wichtigste für mich, durch Bewegung fühle ich mich lebendig. Ja, Tanz ist meine Art meine Gefühle und alles was mein Leben betrifft auszudrücken und mich dazugehörig zu fühlen. Natürlich kann man fragen: Was ist deine Lieblingsrolle, dein Lieblingsballett, dein bevorzugter Tanzstil Und natürlich habe auch ich das alles. Der wahre Grund warum ich tanze ist aber dass ich es einfach liebe mich zu bewegen, zu tanzen. Tanzen treibt mich an, macht mich glücklich.
OG: Das ist genau das, was ich in den Videos von denen ich sprach, sehe. Was aber meinst du damit, dass du dich durch das Tanzen „dazugehörig“ fühlst?
AK: Für mich ist Tanz die Möglichkeit, sich als einen Teil von etwas zu fühlen. Du kannst alleine sein wenn du tanzt ohne einsam zu sein, weil du die Bewegung in dir hast, Sie doch ganz macht.
OG: Doch nun etwas ganz anders: Du hast für ungefähr zwei Jahre in Deutschland gelebt. Gibt es große kulturelle Unterschiede zu deinem Heimatland Finnland?
AK: Natürlich sind die beiden Länder sehr unterschiedlich. Gleichzeitig empfand ich den Umzug hierher leicht, da es keinen Kulturschock gab. Wie die Länder funktionieren, ihre Regeln sind ähnlich. Das Schwerste war für mich, dass man hier nicht meine Muttersprache Finnisch spricht. Es sei denn man hat finnische Freunde. Ich bin nicht sehr sprachbegabt und natürlich beeinflusst es das Leben, wenn man nicht die Landessprache spricht. Vielleicht hatte ich auch deshalb manchmal Heimweh und wäre manchmal gerne an zwei Orten gleichzeitig gewesen. In Hamburg, wie auch wieder Zuhause.
Die zwei Jahre, die ich mit dem Hamburg Ballett verbachte waren auf jeden Fall eine großartige Zeit, mit vielen wunderbaren Erinnerungen. Es war (bisher)die beste Zeit meiner Karriere.
OG: Kariere, ein gutes Stichwort. Welche Zukunftspläne hast du?
AK: Es gibt Pläne für eigene Choreografien, auf die ich mich sehr freue. Ansonsten möchte ich solange weitertanzen wie ich kann. Also ja, einfach weiter tanzen, mich weiter bewegen, Das ist das Beste für mich.
OG: Zum Schluss noch ein paar Fragen, die ich gerne „Klönfragen“ nenne: Ist das Glas deines Lebens halb voll oder halbleer und was ziehst du im Leben bzw. auf der Bühne vor: Drama oder Komödie?
AK: Ach, Das Glas meine Lebens ist immer halbvoll und auf der Bühne, wie im Leben ziehe ich das Drama, der Komödie vor.
OG: Eine wirklich coole, interessante Kombination, finde ich. Und mir fällt nun noch etwas ein: Ich habe ja schon gesagt, dass du nun Erster Solist im Finnischen Nationalballett bist und du bist auch oft in den Medien dort vertreten. Bist du ein Star in deiner Heimat?
AK: Ob ich ein Star bin in Finnland? Ich würde sagen jeder ist ein Star und Hauptdarsteller in seinem eigenen Leben.
OG: Oh, vielen Dank für diese philosophisch weise und auch bescheidene Antwort und für die Zeit, die du dir genommen hast viel Erfolg in Finnland und wer weiß, vielleicht kommst du ja wirklich wieder ein Mal als Gast nach Hamburg!
AK: Gerne. Ja, das wäre toll ….
Da Atte mir das Interview auf Englisch gab, gibt es hier auch eine englisch sprachige Version.
Ballet dancer Atte Kilpinen: Everyone is a star!
(Text übersetzt mit Deepl.com)
In the 2020/2021 season the young Finn Atte Kilpinen joined Hamburg Ballet, one season later he became a soloist, but now he returned to Finland, where he is engaged as First Soloist with the Finnish National Ballet.
During his time in Hamburg he made a name for himself as Tadzio in Neumeier’s Death in Venice, Arminta in Sylvia or as Puck in A Midsummer Night’s Dream.
I am very happy that he agreed to give me an interview for operngestalten via WhatsApp.
Operngestalten (OG): First of all, I would be very happy to have a brief insight into your biography and career.
Atte Kilpinen (AK): I started show dancing at the age of seven, then Modern Dancing/Contemporary at thirteen. At that time I decided to become a dancer, applied, was accepted and at the age of 18 I completed my training as a dancer for Contemporary/ Modern Dance. At 16, I attended a ballet performance in Helsinki and knew immediately: I want to be a ballet dancer! We had classical ballet twice a week during my training as well, but I then took ballet classes outside of school. After I finished my training, I wanted to go to a ballet school in Scotland for two years. Before that, however, I participated in a summer program. Kenneth Greve, was the teacher of the morning training with the Finish National Ballet
He liked me and said, „You should show yourself here in the National Ballet.“ “ I would love to,“ I replied, „but I’m going to a ballet school in Scotland for two years. After that, I’m happy to apply for a job.“
Anyway, at the end of the program Kenneth Greve really offered me a contract. I signed, didn’t go to Scotland and became straight away a member of the ensemble without further training at school. First two years in the Young Company and then moved to the main ensemble. But here in Finland, both ensembles do the same work, except for some extra lessons. I got some small roles in the beginning, then bigger and bigger roles. I really got to dance a lot here in Finland-.
In 2019, I met John Neumeier when he was rehearsing Sylvia with the Finnish National Ballet and had me learn Arminta. I then danced as First Cast in the premiere It was a great success. The rest is history.
OG: Or rather it was the beginning of a whole new story. Because in the 2020/21 season you came to Hamburg to the Hamburg Ballet where you became a soloist a year later.
AK:Yes, I came to Hamburg Ballet in 2020 very happy and also excited. I had two wonderful seasons here. I loved everything: dthe work, the creations, the repertoire. It was just an extraordinary time. This year I returned to Finland. Because here is my life and I am now continuing my work from 2020. But I will always miss Hamburg. Wyou know, the strange thing is ,when you come back, you have the feeling everything is like back then. But you yourself have changed a lot .
OG: I totally agree with you, although from the other side of the stage, the productions and also the dancers fascinate me and also the way Neumeier tells stories through dance. For me it is a very special company without being able to put it into words.
AK: I think the biggest difference to other companies is that at other houses the choreographies of several different choreographers are danced, but here in Hamburg almost only the works of John Neumeier. But that is precisely the beauty, it is so personal, so completely related to us dancers. All the different steps of this created, his choreographies and all his ideas, made the collaboration with him for me his true – yes. a true gift. Here in Finland we have a new ballet every month and always by a different choreographer, which is the biggest difference from Hamburg, as I said. There, almost everything is by John Neumeier and he is the best at what he does.
OG: What were your favorite parts in Hamburg? And which ones would you still have liked to dance?
AK: My favorite role in Hamburg is Tadzio in Death in Venice.
OG: I saw you in that ballet with Christopher Evans as von Aschenbach and it was really incredibly impressive.
AK: Yes, it was also a very special experience, right after I joined the company in October 2020 we worked on this role. I have many great memories of that time and also the performances. Then I also love the Puck from A Midsummer Night’s Dream, which I was allowed to dance during the guest performance in Baden-Baden.
OG:Who is your favorite choreographer? And, no!!! I really don’t want you to say now necessarily, John Neumeier.
AK: But clearly, John Neumeier really IS my favorite choreographer. I was lucky enough to dance in many of his ballets. Also, working with him in the ballet hall and in rehearsals, getting to know him as a person and learning from him was the best thing I could have accomplished in my life, for my career. I am very grateful for all the opportunities he gave me. All the memories. Because he just happens to be the best.
OG: You’ve been involved in some really beautiful and unusual productions. Your choreographies to Prokoveva Quintet in g-minor or Sibelius‘ Finlandia have a fascination all their own. Especially because you dance Finlandia to the popkantele, an unusual but popular instrument in Finland. Or also Hunt, Tero Saarinen’s fantastic interpretation of Stravinsky’s Sacre du Printemps And I just love also the videos of you dancing in the street.
Long story short: Do you express your thoughts, emotions, feelings with this kind of dance? Maybe even more than in a specific role?
AK: Yes, to dance is the most important thing for me. Of course I like to dance different roles in different ballets. But movement is the most important thing for me, movement makes me feel alive. Yes, dance is my way to express my feelings and everything that concerns my life and to feel I belong. Of course you can ask: what is your favorite role, your favorite ballet, your favorite style of dance And of course I have all that too. But the real reason why I dance is that I just love to move, to dance. Dancing drives me, makes me happy.
AK: For me, dance is the opportunity to feel a part of something. You can be alone when you dance without being lonely because you have the movement inside you, yet makes you whole.
OG: But now something completely different: You lived in Germany for about two years. Are there any major cultural differences from your home country of Finland?
AK: Of course, the two countries are very different. At the same time, I found the move here easy because there was no culture shock. How the countries work, their rules are similar. The hardest thing for me was that they don’t speak my native Finnish here. Unless you have Finnish friends. I am not very gifted in languages and of course it affects your life if you don’t speak the local language. Maybe that’s why I was homesick sometimes and sometimes I would have liked to be in two places at once. In Hamburg, as well as back home.
The two years I spent with the Hamburg Ballet were definitely a great time, with many wonderful memories. It was (so far)the best time of my career.
OG: Career, a good keyword. What are your future plans?
AK: There are plans for my own choreographies, which I’m really looking forward to. Other than that, I want to keep dancing as long as I can. So yeah, just keep dancing, keep moving, That’s the best thing for me.
OG: Finally, a couple of questions that I like to call „tinker questions. Is the glass of your life half full or half empty and what do you prefer in life or on stage: Drama or comedy?
OG: A really cool, interesting combination, I think. And I can think of something else now: I already said that you are now First Soloist in the Finnish National Ballet and you are also often in the media there. Are you a star in your home country?
AK: Whether I am a star in Finland? I would say everyone is a star and main actor in his own life.
OG: Oh, thank you very much for this philosophically wise and also humble answer and for the time you took good luck in Finland and who knows, maybe you will really come to Hamburg as a guest again one time!
AK: You are welcome. Yes, that really would be great …