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Hamburgische Staatsoper – Mitridate, re di Ponto: Koloraturen zieren eine stets aktuelle Geschichte

Titelfoto: Olivia Boen, Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
PhotoCredits: https://www.rbbm.photos/

Als er seine erste abendfüllende Oper Mitridate, re di Ponto komponierte, war Wolfgang Amadeus Mozart gerade einmal 14 Jahre alt und hatte unüberhörbar eine Vorliebe für komplizierte Koloraturen für jede einzelne Partie. Die vier Sängerinnen und drei Sänger der Neuproduktion der Hamburgischen Staatsoper bewiesen allesamt großes Können in dieser Disziplin, so wie das Philharmonisches Staatsorchester Hamburg samt Dirigent Adam Fischer nicht nur Feingefühl für Mozarts manchmal perlende Melodien, sondern erlaubte, im Zentrum des Geschehens auf der Bühne musizierend, einen Blick auf sein Tun. Das Premierenpublikum feierte alle Künstler*innen mit viel Jubel, in den auch Regisseurin Birgit Kajtna-Wönig und ihr Team einbezogen wurden.

Nikola Hillebrand, Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
PhotoCredits: Brinkhoff/Mögenburg

Das Orchester wird in dieser Produktion so zu einem Teil der Handlung. Musiker, Dirigent und Darstellerinnen agieren in dieser Produktion als ein sich ergänzendes Ganzes. Da Kajtna-Wönig und ihr Team daneben auf stumme, die Handlung erklärende und ergänzende Rollen verzichten, konzentriert sich die Aufmerksamkeit des Publikums ganz auf die Musik(er) und die wenigen Hauptdarsteller*innen, die sich durch das Orchester, wie selbstverständlich, bewegen oder Violonist*innen und Schlagzeuger kurz des Platzes verweisen und sie so zu aktiven Mitspielern machen. Mitspielern in einer verwirrenden Geschichte von Krieg, Liebe, Machtkämpfen und Ehre, die in kurzen Worten zu erklären mir nicht möglich ist, deren Zeitlosigkeit und Aktualität aber nicht von der Hand zu weisen ist.

Die Kostüme von Marie-Luise Otto sind nicht wirklich einer bestimmten Epoche zuzuordnen, einige Requisiten, wie zum Beispiel Sifares Holzschwert, haben eine ironisch-satirische Wirkung, das Bühnenbild an sich besteht ausschließlich aus Tüchern, die je nach Lichteinfall an dunkle Ödnis oder auch karge Naturdenken lassen und hier und da einzelnen Personen als Decke dienen. Zusammen mit den beiden Übertexttafeln, auf denen die Bedeutung einzelner Worte oder kurzer Sätze durch unterschiedliche Schriftgrößen hervorgehoben werden und dem Video-Bühnenhintergrund von Mara Wild entstand eine Szenerie, die anspricht. Wobei ich dies nicht im Sinne von „angenehm anzusehen“ meine, sondern eher im Sinne von „eigene Gedanken bildlich wiedergegeben sehen.“

Bei Adam Fischer bekommt das Wort Maestro, mit welchem oft Dirigenten bezeichnet werden, einen tieferen Sinn, denn der ausgewiesene Mozart-Experte vereint in sich alle Eigenschaften, die von einem „Maestro“ im Sinne von Könner oder Lehrer/(An)leiter erwartet: sympathische Souveränität und vor allem die Fähigkeit das Beste aus seinen Musikern, dem Philharmonischen Staatsorchester Hamburg herauszuholen und dazu Mozarts filigranes, komplexes Melodiengebilde, das zu 90 % aus Koloraturen zu bestehen scheint, dem Publikum nahezubringen um Mozarts Zauber spürbar zu machen.

Seungwoo Simon Yang, Adriana Bignagni Lesca, Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
PhotoCredits: Brinkhoff/Mögenburg

Einzig Kammersänger Peter Galliard als Diener Arbate zeigt ein Mal mehr seine Zuverlässigkeit. Seungwoo Simon Yang gehört zu den Absolventen des Internationalen Opernstudios Hamburg (IOSH) und ist seit der vergangenen Spielzeit Ensemblemitglied der Hamburgischen Staatsoper. Er verfügt über einen strahlenden lyrischen Tenor, der Nemorino, (Donizetti, Liebestrank), Tamino (Mozart, Zauberflöte), Alfredo (Verdi, La Traviata). Als römischer Freund Farnaces beweist Yang nun seine Vielseitigkeit und vor allem auch, dass er selbst intensivere Koloraturen problemlos meistert.

Dorine Mortelmans, die erst kurz vor der Premiere für die erkrankte Kady Evanyshyn einsprang, gebührt große Hochachtung für ihre Leistung an diesem Abend, die das kurzfristige Einspringen keinen Augenblick vermuten ließ. Im vergangenen Sommer sang sie die Rolle der lange unglücklich in Farnace verliebte Ismene, mit großem Erfolg auf dem Festival de Wallonie in Namur. Mortelmans‚ Ausstrahlung und ihr Spiel sind ebenso ausdrucksstark, wie ihr Sopran klar und warm ist, und ihre Koloraturen klar und sicher geführt klingen.

Adriana Bignagni Lesca, Dorine Mortelmans, Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
PhotoCredits: Brinkhoff/Mögenburg

Adriana Bignagni Lescas wandlungsfähiger Mezzosopran hat einen großen Umfang und ein wunderbar dunkles Timbre, die perfekt zu ihrer Partie als herrschsüchtiger und zu Gewalt bereitem Farnace passen, den sie mit viel Energie und Überzeugungskraft darstellt. Nicht allein ihr Ringkrampf mit Bruder Sifare und Konkurrenten um die Liebe Aspasias, der Verlobten Miridates, zeugt von Spielfreude. Und auch stimmlich zieht sie in ihren Bann.

Olivia Boen, aktuelles Mitglied des IOSH, erfüllt die Rolle des Sifare, der ob seiner Liebe zu Aspasia und dem Ehrgefühl dem Vater Midridate gegenüber, in einem tiefen emotionalen Zwiespalt steckt, mit viel überzeugender Empathie und Hingabe an Partie und vor allem Gesang. Auch ihre Koloraturen klingen sauber und wie von leichter Hand gesungen. Wie Yang und viele andere davor (z.B. Olga Peretyatko oder Katarina Tretyakova oder auch Dovlet Nurgeldiyev) steht sie für Absolventen des IOSH, von denen wir mit Sicherheit noch viel hören werden. Gerne hier an der Hamburgischen Staatsoper.

Nikola Hillebrand, Robert Murray, Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
PhotoCredits: Brinkhoff/Mögenburg

Auch Robert Murray (Miridate) und Nikola Hillebrand (Aspasia) wären, ginge es nach mir, immer wieder gerne gesehene Gäste. Murray als Florestan im Ludwig van Beethovens einziger Oper Fidelio erleben zu können wäre sicherlich ein spannendes Erlebnis. Denn dass Murray zwei so unterschiedliche Partien im Repertoire hat, steigert die Bewunderung für seine Leistung als Midridate, besonders dessen Koloraturen, um so mehr. Aber auch darstellerisch überzeugte er als Tyrann und rachsüchtiger, eifersüchtiger Mann/Vater der am Ende unbesiegt aus dem Krieg zurückkehrt, sich aber, allen verzeihend, selbst richtet,

Nikola Hillebrand gebührt die höchste Anerkennung an diesem Abend, beginnt sie Abend und Rolle mit einer Arie, die gefühlt ausschließlich aus den kompliziertesten Koloraturen besteht, die sie mit Bravour, scheinbarer Leichtigkeit und einer wirklich vielfarbigen Palette hör- und spürbarer Emotionen. Sie besitzt daneben die Fähigkeit, auch durch kleine Gesten, mit Aspasia mitzufühlen. Und begeistert daher von der ersten bis zur letzten Minute auf allen Ebenen.

Fazit: Es war, besonders musikalisch, ein Abend, der im Gedächtnis bleiben wird als nicht allzu leichte Kost, die imponiert, gefällt und Jubel wie auch Applaus auf jeden Fall wert ist.

Birgit Kleinfeld, Vorstellungsbesuch (23.2.2025)

Links:
https://www.staatsoper-hamburg.de/
https://www.adamfischer.at
https://www.nikolahillebrand.com/
https://oliviaboen.com/
https://adrianabignagnilesca.net/
https://dorinemortelmans.com/

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