Titelbild: Ensemble
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Dezember, nicht nur hektisch besinnliche Vorweihnachtszeit, doch stets auch Zeit der zweiten Premiere der Saison beim Hamburg Ballett an der Staatsoper Hamburg. Last but not least ist es auch die Zeit von Kopf-, Hals- und Gliederschmerzen, kurz: von Erkältungen. Treffen diese und die, mit Spannung erwartete, Uraufführung von Aszure Bartons Ballett Slow burn zusammen, ist im besten Fall die Genuss- und Konzentrationsfähigkeit eingeschränkt. Im schlechtesten Fall jedoch ist sogar das Verlassen der Vorstellung in der Pause unumgänglich, was mir zum ersten Mal, seit es Operngestalten gibt, passierte. So kann ich Ihnen persönlich, mit weniger Worten als gewöhnlich, nur mitteilen, dass der erste Teil begeistert gefeiert wurde. Doch – Social Media sei Dank – fanden mich junge Menschen, die mir ebenfalls kurz eigene Eindrücke zum zweiten Teil des Abends. William Forsythes Blake Works V (The Barre Project), schilderten, der ebenfalls großen Anklang fand.
Die verstörende Faszination der „Flammen“
Fehlen mir, was selten vorkommt, die Worte, um meine Ansichten zu beschreiben und meinen Lesern erklärende näher zubringen, greife ich ja gerne auf Oscar Wildes in „Das Bildnis des Dorian Gray“ geäußerte Meinung zurück, dass es einen Unterschied zwischen „Fasziniert sein“ und „mögen/ Gefallen finden“ gibt. Auch hier leistet diese Meinung mir gute Dienste.
Das Zusammenspiel zwischen der, als Auftragswerk von Ambrose Akinmusire komponierten Musik, den flammenfarbigen Kostümen Michelle Janks und der, für das fast nur an Neumeier gewohnte Publikum, innovative Choreografie hat tatsächlich etwas Faszinierendes. Doch teilweise verwirrten die fraglos wundervoll, mit viel Enthusiasmus und Können getanzten Bilder (mich, an diesem Abend) mehr, als dass sie gefielen.
Die Tänzer, so schien es, waren so begeistert von diesem Ballett, wie ich es ganz aufrichtig von ihren Leistungen war. Die Dynamik der Bewegungen, die Synchronität, die dem gesamten Ensemble aufrecht, kriechend oder liegend gelang, verlangt Hochachtung. Was die Protagonist*innen Silvia Azzoni und Madoka Sugai (Weise Frauen), Lormaigne Bockmühl (Freude), Daniele Bonnelli (Empathie) leisteten, wie auch Evan L’Hirondelle und Artem Prokopchuk (Die Verbündeten) leisteten, verursachte, neben dem vergeblichen Versuch den Sinn mit Herz und Verstand nachvollziehen zu können, hier und da leichte Gänsehaut. Und doch überlasse ich Sie, liebe Leser*innen, dieses eine Mal nun den Bildern und Klängen des Promo-Videos, um sich einen ersten eigenen, neugierigen Eindruck zu verschaffen.
Blake Works V -The Barre Project: Die Worte von anderen
Was diesen Teil des Abends betrifft, gilt mein Dank jenen, die mir erlaubten, sie hier zu zitieren, um einen vollständigen Bericht abliefern zu können. Verantwortlich für die Choreografie, das Bühnenbild und die Kostüme von Blake Works V – The Barre Project ist in erster Linie kein Geringerer als William Forsythe, der sich von der Musik von James Blake für Tänze an und um „Die Stange /La Barre“ inspirieren ließ.
Die Meinung des ersten Befragten zu Blake Work V ist diese: „Gefallen hat mir da fast nichts. Die Musik: Ein paar Takte, die sich ständig wiederholen. Eine Viertelstunde lang. Dann eine nicht enden wollende Filmeinspielung mit Händen an der Stange, zu eben diesen sich ständig wiederholenden wenigen Takten „Musik“. Die Tänzer waren prinzipiell alle toll – aber sicher unausgelastet, weil das Stück eh kurz ist (35min), und die ursprüngliche Rolle am Barre durch fünf geteilt wurde, d.h. jeder Tänzer hat vielleicht drei Minuten auf der Bühne, das kann ja für einen ersten Solisten kaum befriedigend sein. Tänzerische Leistung super, das Stück und die Musik: eher nicht …
Aber: Das Solo von Daniele Bonelli war toll. Ha! Hab ich doch noch etwas Positives gefunden!“
Auch meine zweite Informantin sieht es ähnlich: „Musikalisch fand ich es mehr als anstrengend, Elektropop, teilweise auch noch sehr laut. Richtig beschreiben kann ich es nicht, aber ich finde die „Musik“ furchtbar. Tänzerisch gut, sehr virtuos, viele einzelne, kurze Tänze, besonders im Mittelteil. Besonders gut gefallen haben mir Charlotte Larzelere und Alessandro Frola. Ein kurzer Pas-de-deux mit Ana Torrequebrada und Gabriel Barbosa gehörte auch zu den Highlights des Abends. Dadurch, dass das Stück ursprünglich für viel weniger Tänzer gemacht war, hat hier jeder einzelne nur sehr kurz zu tanzen. Jeder Tänzer vielleicht je fünf Minuten. Höchstens.“
Fazit: Auch wenn beide nicht ganz in den Jubel einstimmen konnten, der das Haus am Ende erfüllte, weiß ich, dass sie die Leistung auch der nicht genannten Tänzer zu schätzen wussten! Und ich weiß auch, dass dieser Abend zwar eine Herausforderung sein wird für jene, die erst beginnen ins Balllett zu gehen. Doch ich denke, ich habe nun etwas gefunden, um meine Kategorie „Erste Schritte“ 2025 zu beginnen. Denn manchmal birgt ein noch nicht von Erfahrung getrübter Blick ja so manche Überraschung!
Birgit Kleinfeld, Vorstellungsbesuch / Slow burn 8.12.2024
https://www.staatsoper-hamburg.de/de/spielplan/stueck.php?AuffNr=221488