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Sorgfältiger hätten Zeit und Ort nicht gewählt sein können. Ben Becker lädt an jenen Tagen im November, in denen Tod und Abschied ohnehin näher ins alltägliche Bewusstsein rücken zum Premierenwochenende für sein „Todesduell“ in einen feierlich illuminierten Berliner Dom. Als die harmonischen Orgelklänge den Raum erfüllen, ist die gespannte Erwartung des Publikums förmlich greifbar, da der runde Kirchenbau so viele Möglichkeiten offen hält, woher die ersten Worte kommen und sich der erste Blick auf den Protagonisten des Abends denn wird erhaschen lassen.
Erscheint er auf der Kanzel, auf der Orgelbühne oder hat man sich klassisch für den Altarbereich als Bühne entschieden? Becker schreitet langsam durch das Kirchenschiff und rezitiert schließlich vor dem Altar ruhig, beinahe zärtlich aber nicht minder leidenschaftlich philosophische Betrachtungen zur Vergänglichkeit basierend auf einer Predigt des britischen Metaphysikers John Donne. Diese Worte sprach jener im Jahr 1631 im Rahmen seines letzten öffentlichen Auftritts vor seinem Ableben vor König Charles I. in der St. Pauls Cathedral und Becker nimmt den Faden wohl nicht zufällig im Berliner Dom, der Partnerkirche der Londoner Kathedrale, wieder auf. Im zweiten Teil der fesselnden Darbietung trägt er die „Große Elegie an John Donne“ von Nobelpreisträger Joseph Brodsky vor.
Bis auf das seltene Erscheinen eines engelhaften Wesens füllt Becker das Gebetshaus alleine, mit seinem wohlig im Raum hallenden Vortrag und seiner charismatischen Präsenz. Höhepunkte des Abends sind zwei Gesangsvorträge Beckers, einer pro Satz, die kurz die Gedanken von Tod und Vergänglichkeit abschweifen lassen und die dem Publikum eine glorreiche Wiedergeburt von Stimmen wie Leonard Cohen oder Johnny Cash verheißen. Die Menge dankt es ihm am Ende mit minutenlangen Standing Ovations, bis er sich selbst noch einmal – ihm bricht gleich die Stimme – an die aufmerksame Zuschauerschaft wendet und sich dafür verneigt, dass dieses in jahrelanger Arbeit entstandene künstlerische Wagnis durch das richtige Publikum zu einem solchen Erfolg werden konnte.
Christina Bertram, Vorstellungsbesuch 2.11,2024