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Nomen ist nicht immer Omen - Oft reicht er nicht allein-Dahinter kann noch viel mehr "wohnen"! -Kommt! Schaut doch einfach rein!

Axel Ranisch (1): Egal wie, ich bin einfach nur Geschichtenerzähler

Titelbild – FotoCredits: http://www.dennispauls.de/

Sein Lächeln ist ansteckend und lässt keinen Zweifel daran: Dieser Mann ist durch und durch echt, authentisch bar sämtlicher Allüren, schafft es, dass man sich auch über den Bildschirm hinweg vom ersten Moment an wohl mit ihm fühlt Film/Theater/Opernregisseur, Autor, Dozent und Schauspieler:  Axel Ranisch. Ich kann einfach nicht anders, als beide Teile meines Zoom-Interviews mit diesen Worten zu beginnen. Aber von hieran, wird es anders unterhaltsam als im anderen Teil, denn dieser Mann hat viel zu erzählen!

Am Ende des Tages geht es darum Geschichten zu erzählen

Birgit Kleinfeld (BK): Herr Ranisch, bei meinen Vorbereitungen beeindruckte mich die Vielseitigkeit ihrer Kreativität, wie auch von all den Preisen und Nominierungen, die Sie schon in ganz jungen Jahren erhalten haben. Ich gestehe, ich fühlte mich – nicht eingeschüchtert,- aber doch schon ein ganz klein wenig aufgeregt vor diesem Gespräch.

Axel Ranisch (AR): Ach, das müssen Sie nicht.

BK: Ich war so fixiert auf Sie als Tatortregisseur, als sympathischer Schröder aus der Krimiserie Zorn oder eben auf ihren vielschichtigen Il Trittico an der Staatsoper Hamburg und frage mich nun: Was kann der Mann eigentlich nicht? Ist er – oder besser wer ist der, – der er sein will?

Inspiriert vom Foto : „Le Violon d‘Ingres“ (1924) von Man Ray“
FotoCredits Dennis Pauls:

AR: (mit Lachen in der Stimme:) Ich glaube, ich wäre gerne etwas dünner, wegen der Gesundheit, der Knie und weil ich Angst habe Diabetes zu bekommen. Das ist ein Thema Aber nein, im Großen und Ganzen bin ich schon der, der ich sein will. Ich hatte schon in Kindheit und Jungend viele Unterstützer in den unterschiedlichsten Bereichen, was mir half mich zu finden. Darunter war auch meine Großmutter  Ruth Bickelhaupt , die in Dicke Mädchen, meiner Film-Regie- Diplomarbeit, die Hauptrolle spielte.
Was ich mache ist zwar sehr vielfältig, ich bin in unterschiedlichen Medien unterwegs. Doch eigentlich bin ich am Ende des Tages einfach nur Geschichtenerzähler. Es ist ganz egal ob ich ein Buch schreibe, einen Film drehe, selbst in einem mitspiele, ein Hörspiel aufnehme oder ein Theaterstück oder eine Oper inszeniere: es geht eigentlich immer darum Geschichten zu erzählen, die Leute berühren, inspirieren. Geschichten, aus denen man vielleicht sogar etwas lernen kann, die zeigen dass das Leben Lachen, wie auch Weinen.

Axel Ranisch mit seiner Großmutter Ruth Bickelhaupt 
FotoCredits Privat

Wissen sammeln ist wie ein Puzzel

BK: Ich bewundere wirklich, diese Energie, die Kraft für immer neue Pläne. Worauf ich allerdings hinaus will ist, dass Es gibt ja Klassisch Drastisch, ein Buch an dem auch Schauspieler Devid Striesow beteiligt ist, auch gibt es eine Sendung gleichen Namens mit Ihnen und Striesow bei Deutschlandfunk Kultur.

AR: Oh ja! Das ist eine schöne Sache, die Devid und mir großen Spaß macht.

BK: Das ist spürbar und schon das Vorwort im Buch- lässt vermuten, dass ihr Wissen über klassische Musik und Komponisten fast unerschöpflich ist. Bedingen sich Ihre musikalische Kreativität und ihr großes Wissen? Denn ich habe die Erfahrung gemacht, dass viel Wissen, die Kreativität eher einschränkt auf eine einzige bestimmte Richtung.

AR: Die klassische Musik und die Geschichten der Komponisten und ihrer Werke, waren schon so ein Kindheits- und Jugendding von mir. Diese Musik hat mich aufgesaugt, ich habe mich darin aufgehoben gefühlt und die ganzen Biografien haben mich wahnsinnig interessiert, denn die Komponisten haben oft ein sehr bewegtes Leben gehabt. Zum Beispiel Tchaikovsky. Dem habe ich mich sehr verbunden gefühlt. Er war ein unsicherer, schwuler Künstler, der sich und sein wahres Wesen hinter einer gesellschaftlich akzeptierten Fassade verstecken musste. Biografien über ihn habe ich geliebt und mir alles gemerkt. Als Kind und Jugendlicher hat man ja unheimlich viel Platz im Kopf. Damals habe ich jedes CD-Booklet regelrecht verschlungen und es ist alles „hängengeblieben“. Heute klappt das nicht mehr so. Wenn ich heute ein Booklet lese, habe ich hinterher sofort wieder alles vergessen.

BK: Ach, wem sagen Sie das …

Axel Ranisch, Devid Stresow
FotoCredits: Deutschlandradio/Anja Schäfer:

AR: Und das, wofür man sich besonders interessiert bleibt ja doch relativ leicht hängen. In meinem Beruf sammle ich auch Wissen an. Mit jedem Stück, mit jedem neuen Projekt, verstehe ich neue Zusammenhänge, erkenne Querverweise zwischen Künstlern unterschiedlichster Epochen und Gattungen. Wie ein immer wachsendes Puzzle. Das ist sehr aufregend. Als intellektuell empfinde ich mich trotzdem nicht, zumindest bin ich es nicht willentlich. Ich mach und ja „weiß“ vieles einfach intuitiv, aus meinem großen Bauch heraus.

BK: Ihrer Ausstrahlung nach oder wie ich Sie während unseres kurzen Gesprächs in Hamburg und auch jetzt erlebe, denk ich es ist nicht alleine die Intuition des Bauches sondern vor allem auch des Herzens. Und genau das, diese Mischung aus sehr großem Wissen, noch größerer Kreativität und der totale Mangel an Arroganz oder gar Großspurigkeit ist, was sicher nicht nur mich so für Sie und damit ja auch für ihre Arbeit einnimmt.

AR: Och, danke.

Film: Liebe Mich!
FotoCredits: Fee Scherer

Mir geht es um Menschen nicht um Helden

BK: Ja wissen Sie, ich denke da auch an den Schlussapplaus nach der Premiere von Giacomo Puccinis Il Trittico hier in Hamburg, Oder auch an die Zwischenrufe, während der langen Videosequenzen nach Gianni Schicchi und vor Il Tabarro ….

AR: Da waren einige alte Herren nicht wirklich begeistert, ich weiß. Aber die Alternative wäre eine Pause gewesen, denn wir mussten ja die Bühne umbauen und die Sänger mussten umgeschminkt und umgezogen werden.

BK: Schon klar und für mich persönlich wäre es auch ein Bruch im Konzept gewesen. Doch worauf ich hinaus möchte ist, Ihre freundliche. ja, gelassene Haltung bei den Buhs beim Auftritt des Produktionteams,, Wenn ich da an Ihren Kollegen Herbert Fritsche nach der Carmen hier denke… Der stellte sich den Buhs beim zweiten Vorhang in klassischem Torero-Outfit und Siegerpose, aber ohne wirkliche Provokation den Pfiffen. Aber das ist so gar nicht Ihr Stil, oder? Denn das es Sie kalt ließ glaub ich nicht.

FotoCredits: Martin Furch:

AR: Nein nicht wirklich. Ich bin sensibel und zweifle bei Kritik an mir. Ich möchte mit meinen Arbeiten, mit allem was ich tue, bestimmt nicht provozieren, sondern die Leute für das begeistern, was ich so sehr liebe.

BK: Mir mit allem aus der Seele gesprochen und ungerechte Verurteilungen sind ein Thema über das ich mich nicht, nur im Bereich Kunst stundenlang verbreiten könnte.  Um aber bei Ihnen zu bleiben. Egal, welches Medium bei ihnen stehen immer menschliche Beziehungen und familiares im Vordergrund, ähnlich wie ihr Kollege David Bösch

AR:: Ja, der David hat immer große Empathie für seine Figuren und erzählt Geschichten von Menschen aus seinem Leben. Das gefällt mir gut.

BK: Genau wie Ihre. Ihre Personenführung im Trittico besonders in Gianni Schicchi, Die Charaktere wirken wie aus den heutigen Leben gegriffen, wofür Puccini ja in seinen Opern gute Vorlagen bietet, ist er also einer der Komponisten, die ihrem Regiestil entgegenkommen.

Il Trittico: Gianni Schichi
Elena Guseva, Roberto Frontali, Komparserie, Ida Aldrian, Alexey Bogdanchikov, David Minseok Kang, Oleksiy Palchykov, Katja Pieweck, Jürgen Sacher, Hellen Kwon, Tigran Martirossian
FotoCredits: Brinkhoff-Mögenburg

AR: Der Gianni Schicchi ist schon eine große, aber interessante Herausforderung. Denn es steht ja immer die ganze Familie auf der Bühne, zwölf Menschen, die durchgängig etwas wollen, fühlen und handeln. Bei mir sogar auf zwei räumlichen Ebenen. Das ist schon komplexer als nur eine Szene zu zweit. Ich hatte aber auch tolle spielfreudige Sänger, die gerne mitgedacht und an ihren Figuren gearbeitet haben und sichtlich Spaß daran hatten. Puccinis Geschichten sind trotz der konkreten zeitlichen Verortung ausgesprochen zeitlos und menschlich. Puccini gibt in seiner Musik alles ganz genau vor. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich vergöttere Puccini und seine Musik, doch als ich im Frühsommer Händels Saul in Berlin inszenieren durfte, merkte ich, wie viel Freiheit die Barockmusik nicht nur den Musikern und Sängern, sondern auch mir gibt. So etwas macht mir dann schon auch Spaß und fordert mich ganz anders.

BK: Jetzt wo Sie es sagen, fällt mir nur als klitzekleines Beispiel jener Tränen treibende Akkord aus dem vierten Bild von La Boheme wenn Mimi stirbt. Man hört einfach, das Herz still stehen, sieht zumindest einen Arm fallen oder Ähnliches , wenn nicht live so doch vor dem inneren Auge. Aber mir fällt was menschliche, bürgerliche Themen betrifft, gerade Verdi ein oder auch Mozart.

FotoCredits: Paul Norman Zacher

AR: Das stimmt. Aber ich habe auch immer etwas zu großen Respekt vor der Rezeptionsgeschichte dieser berühmten Werke. Die Zauberflöte habe ich jetzt schon zwei Mal abgelehnt. Der erste Akt macht ja noch Spaß, Papageno, Tamino, das Ehedrama… Aber dann zieht es sich. Dieses Männerbündlerische, dieses tradierte Frauenbild, diese obskuren Prüfungen am Ende, die Rolle von Monostatos… Ich weiß nicht. Zu viele Fallen. Vielleicht in dreißig Jahren, mit mehr Lebenserfahrung. Auch die anderen großen Opern wie Le Nozze di Figaro, Don Giovanni reizen mich weniger als die früheren Opern wie Gärtnerin aus Liebe, Bastien und Bastienne. Die würde ich gern einmal machen. Und ich habe auch eine große Affinität zu den russischen Komponisten, gerne würde ich Boris Goudonov von Mussorgsky inszenieren und ein kleiner Traum von mir wäre ein Rachmaninov-Trittico mit allen drei Kurzopern: Aleko, Francesca da Rimini und der Geizige Ritter. Aber egal welche russische Oper. Diese schwere mollige Musik und die russischen Komponisten haben es mir einfach angetan.

BK: Das ist nun, wenn auch ein wenig „von hinten in den Bauch geschossen“, eine kleine Vorlage für diese – ungeplante-Frage: Wie stehen Sie zu der Art wie Künstler, wie zum Beispiel Anna Netrebko momentan behandelt werden, dem Boykottihrer Vorstellungen, Absagen durch die Häuser Shitstorms im Internet.

AR: Mein Professor Rosa von Praunheim hat uns Studenten mit dem alt-68er-Spruch „Das Private ist Politisch“ zu selbstständig denkenden Filmemachern erzogen. Ich halte nichts davon, dass jeder immer sofort eine Meinung parat haben muss, aber eine Haltung und ein klares Menschenbild gehören für mich zu allen Künstlern dazu. Auch zu einer Sängerin oder einem Dirigenten. Abgesehen davon, kämen wir menschlich miteinander weiter, wenn wir uns auch Fehler zugestehen würden. Denn Fehler sind zutiefst menschlich und wenn wir keine machen, hätten wir auch nichts, woraus wir lernen können.

Generalprobe Il Tritico 2023
FotoCredis Oliver Groth

BK: Natürlich. Lassen Sie uns an dieser Stelle, eine kleine Pause machen bevor es an anderer Stelle mit Sympfonie Fantastique- Klingende Amor fou weiter geht! Aber vorher schon ein Mal ein herzliches Dankeschön für dieses Gespräch.

Birgit Kleinfeld, bereits Herbst 2023

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