Die mächtigen Akkorde, mit denen Turandot, Giacomo Puccinis letzte Oper, beginnt, lassen keinen Zweifel an der Dramatik der Geschichte um die chinesische Prinzessin, die Männer dazu bringt nicht nur im metaphorischen Sinne den Kopf zu verlieren. Am 27. 9. 23 begann die erste Serie dieses Stückes für diese Saison; eine zweite folgt im Frühjahr 2024 mit anderer Besetzung. Die Künstler*innen der jetzigen Serie begeisterten das Publikum bis hin zu Standing Ovations.

Alle Fotorechte: Hans Jörg Michel (03.2022)
Nicht selten betone ich ja meine Überzeugung, dass es viel von der eigenen „Tagesform“ abhängt, wie man die Qualität einer Vorstellung empfindet und gestehe, dass ich den, teilweise beinahe hysterisch wirkenden Enthusiasmus, etwas befremdlich fand und nicht vollends nachvollziehen konnte. Ja, es war an sich eine wirklich rund um gelungene Wiederaufnahme der interessanten Inszenierung von Yona Kim aus der vorletzten Spielzeit. Dank eines häufig und immer wieder mit Verve singenden, spielfreudigen Chors der Hamburgischen Staatsoper samt wohlklingender Alsterspatzen und einem Philharmonischem Staatsorchester Hamburg, das unter der Leitung des Generalmusikdirektors der Duisburger Philharmoniker, Axel Kober, aus dem Vollen schöpfte, ohne je die durchweg gut disponierten Sänger „zuzudecken“.

Alle Fotorechte: Hans Jörg Michel (03.2022)
Eine ausführliche Beschreibung der Inszenierung finden Sie im Premierenbericht (Link unten), doch auch beim dritten Besuch dieser Produktion eines „Schauermärchens“, empfinde ich Kims Sichtweise und besonders auch den unkonventionellen Schluss schlüssig. Bei dieser Vorstellung empfand ich zwar das Schließen und Öffnen von Schiebetüren, um das Szenenbild zu ändern/verkleinern, als sehr störend, doch andererseits ergeben sich im Laufe des Stückes viele Momentaufnahmen, die aufgrund geschickter Arrangements von Personen und Dekoration Bilder ergeben, die manchmal ein wenig an berühmte Gemälde erinnern, wie zum Beispiel jene von Jacques-Louis David (u. a. Die Krönung Napoleons) und auf jeden Fall stets Musik und Handlung auf spannende Art und Weise zusammenführen.

Alle Fotorechte: Hans Jörg Michel (03.2022)
Solche Bilder haben eine gewisse Macht, prägen sich ein, wenn sich zum Beispiel im dritten Akt das Gold auf Turandots Kleid schlangenähnlich auf der Treppe spiegelt, während sie diese hinauf- und hinunterschreitet. Catherine Fosters Bühnenpräsenz gewinnt durch diesen Effekt noch mehr an Wirkung. Oder vice versa? In jedem Fall weiß Catherine Foster zu deren Partien auch die Wagner-Heroinen gehören, sich und ihren ausdrucksvollen dramatischen Sopran im gesamten Stück effektvoll in Szene zu setzen. Sie zeichnet so ein beeindruckendes vielschichtiges Bild dieser, bei Yona Kim ihrem Entschluss, nie einem Mann (an)zugehören, besonders treuen Prinzessin.

Alle Fotorechte: Hans Jörg Michel
In dieser Serie steht Foster mit dem am Salzburger Mozarteum ausgebildeten Tenor Rodrigo Porras Garulo ein jugendlich leidenschaftlicher Calaf zu Seite, der zwar viel Schmelz auch in den Höhen hat, der anspruchsvollen Strahlkraft des „Vincero“ in der berühmten Arie „Nessum dorma“ jedoch (noch) nicht wirklich gewachsen ist.
Sie jedoch überzeugte als aufopferungsvoll liebende Líu auf bewegende Art: die erst 27-jährige Masabane Cecilia Rangwanasha, die 2021 den Song Prize bei der BBC Cardiff Singer of the World Competition gewann. Rangwanashas Sopran hat so, wie sie ihn einzusetzen weiß, dass seine Zartheit, aber auch Kraft gut zur Geltung kommen. Ihre Lagen-, Tempi- wie auch Lautstärkenübergänge und Wechsel wirken völlig leicht und mühelos. Ihre Darstellung berührt tief. Möge sie noch oft an die Staatsoper Hamburg zurückkehren.

Alle Fotorechte: Hans Jörg Michel (03.2022)
Neben diesen drei Hauptakteuren sorgten neben Tigran Martirossian (Timur), KS. Jürgen Sacher als Turandots charismatischer Vater, Kaiser Altoum und dem stimm-, wie ausdrucksstarken Chao Deng, als wunderbar widerlicher Mandarino, besonders diese drei jungen Herren für den Erfolg des Abends: Bariton Frederic Mörth, und die Tenöre Daniel Kluge und Seungwoo Simon Yang als die Minister Ping, Pang und Pong. Auch diese Rollen werden von Yona Kim in spannenden und geschickt beleuchteten Momenten gut in Szene gesetzt und Mörth, Kluge und Yang gelingt es, diesen hier etwas unheimlichen Figuren stimmlich wie darstellerisch Leben einzuhauchen.
Fazit: Eine Oper, deren Klangfülle immer wieder fasziniert, in einer bildstarken Inszenierung und einer Besetzung, die auf jeden Fall sehr sehens- und hörenswert ist und deren Leistung durch meine Vorfreude auf die nächste Serie (unter anderem mit Gregory Kunde und Adriana Gonzales) auf gar keinen geschmälert werden soll.
Birgit Kleinfeld, Vorstellungsbesuch 27.09.23
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