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Nomen ist nicht immer Omen, oft reicht er nicht allein, da hinter kann noch viel mehr „wohnen“! Kommt! Schaut doch einfach rein!

Gala zur Eröffnung der Spielzeit 2023/2024 im St. Pauli Theater

Ich schreibe diesen Text auch in Erinnerung an Uwe Bohm, der im letzten Jahr viel zu früh starb. Er wurde im Laufe der Show mehrfach erwähnt, und er wäre sicher ein Teil des Abends gewesen, wenn er noch unter uns wäre – er fehlt.

Ein Gala-Abend der besonderen Art, es wurde gefeiert der 20-jährige Bestand des St. Pauli Theaters als feste Spielstätte mit eigenem Repertoire und gleichzeitig ein Ausschnitt aus dem  Programm der nächsten Saison vorgestellt, auf die man sich nur freuen kann. Ein Rückblick und eine Vorschau in einem, die gelungen ist.

Unvergessen: Eva Mattes Uwe Bohm, Angela Winkler in „Arsen und Spitzenhäubchen“
Alle Fotorechte: Jim Rakete

Geführt durch den Abend haben Ulrich Waller und Thomas Collin, und man merkt ihnen in jedem Satz die Begeisterung für dieses Theater an.
Und der Abend begann, wie es vor 20 Jahren, im Jahre 2003, auch begann, nämlich mit diesem Tüddelband, mit der Geschichte eines Liedes der Gebrüder Wolf, die eigentlich Isaac hießen, bekannt und erfolgreich mit ihren Liedern in Hamburger Platt wurden, und auftraten in Hamburg, auch im St. Pauli Theater, das damals noch Ernst Drucker Theater hieß. Dem Druck des Antisemitismus folgend benennen sie sich schon vor dem Ersten Weltkrieg  in Gebrüder Wolf um, woher sollen sie wissen, dass ihnen das natürlich gar nichts nützen wird? Von den drei Brüdern, die sie ursprünglich waren, haben zwei den Nationalsozialismus überlebt, der dritte von ihnen, James Wolf, wurde in Theresienstadt ermordet. Ihre Lieder kennt in Hamburg jedes Kind, aber ihre Geschichte geriet völlig in Vergessenheit, bis dieses Stück an den Hamburger Kammerspielen Premiere feierte, und später in das Repertoire am St. Pauli Theaters aufgenommen wurde.

Ulrich Waller und Thomas Collien
Alle Fotorechte: Jürgen Joost

Peter Franke und Gerhard Garbers spielten damals die Brüder Isaac/Wolf und singen an diesem Abend „Snuten und Poten“ sowie das „Lied vom Tüddelband“, besonders zweiteres sehr ruhig und schön, anrührend gesungen. Sie zeigten, dass dieses Lied nicht nur als Gassenhauer, sondern eben auch mit einem melancholischen Ton intoniert werden kann und funktioniert.

Ein Höhepunkt des Abends war der Auftritt von Esther Ofarim die mit ihrer grandiosen Stimme „Like a bird“ und „Lailalaila“ sang, zu dem hebräischem Lullaby  sagt sie, dass sie es seit Kindertagen aus dem Kindergarten in Israel kennt und liebt. Esther Ofarim so lernte das Publikum auch, trat im St. Pauli Theater auch bereits 2003 in vielen gefeierten Konzerten auf.

Hannelore Hoger
Alle Fotorechte: Jürgen Joost

Die unverwechselbare Hannelore Hoger mit der schönsten Stimme im Saal liest uns Tucholski Betrachtungen zu Bühnenbeleuchtern“ so vor, als hätte sie selbst immer wieder erlebt, was sie vorträgt. Sie liest im St. Pauli Theater  am 17. November aus Sybilles Bergs Anthologie „Ich dachte, es sei Liebe – Abschiedsbriefe von Frauen“.

Tim Fischer singt „Cabaret“ aus dem gleichnamigen Musical, das in der nächsten Saison wieder im Hansa – Theater läuft. Er singt auch zwei Lieder von dem großen Meister Georg Kreisler, ein bekanntes; „Mein Weib will mich verlassen“ und das eher unbekanntere „Nichts berührt mich“. Wieder singt er diese Lieder, als wären sie auch für ihn geschrieben, es ist ihm anzumerken, dass es Gründe gibt, warum er immer wieder auf Kreisler zurück und zukommt. Und er räsoniert auf der Bühne darüber, ob man heute noch Lieder wie „Als der Zirkus in Flammen stand“ überhaupt noch singen könnte. Seinen Georg Kreisler Abend im St. Pauli Theater am 12. und 13. November kann man also nur empfehlen!

Tim Fischer
Alle Fotorechte: Jürgen Joost

Matthias Deutschmann, auch aus der Comedy-Sendung “Nuhr im Ersten” bekannt, bezeichnet sich als „satirischen Beifang“, spricht von dem schmalen Meinungshorizont zwischen MoPo und Hamburger Abendblatt  (den beiden „großen“ Zeitungen in Hamburg) – „Wir haben alle eine Meinung   – nur ich kann sie aussprechen.“ sagt er; oder auch: „Wenn die Ampel erloschen ist, gilt wieder rechts vor links, – die AFD macht: gar nix, das macht die Ampel“

Theater in Italien, Partner des St. Pauli Theater, Diskussion über den „Dritten Weg“ (Sozialismus ohne und jenseits dessen, was man „real existierenden Sozialismus“ nannte) , die italienischen Genossen erhalten Besuch aus der DDR und werden zurechtgewiesen, und auf Moskaus Linie getrimmt. Man denkt, die Episode hat ein wenig Patina, bis die Stimme aus der DDR ins Publikum brüllt „Das Zentrum ist Moskau“ – da zuckt man schon ein wenig zusammen.

Anneke Schwabe singt aus ihrer Kehle ganz wunderbar die Seeräuber-Jenny aus der Dreigroschenoper von Bert Brecht, bald in ihrem St. Pauli-Theater. (2.-6. Oktober). Sie tritt auf, singt und tritt wieder ab, und hinterlässt Eindruck.

Christian Redl
Alle Fotorechte: Jürgen Joost

Christian Redl liest aus seiner Biografie die schöne Passage vor, in der er Anfang der 80er Jahre mit UlrichWildgruber Zadeks Puntila und sein Knecht Matti“ probt, man sieht und hört die Agierenden, die nun schon so lange nicht mehr leben, förmlich vor einem. Aus seiner Biografie liest er am 23. November.

Holger Dexne verkauft einen Gurkenhobel für zehn Euro, zum Schluss sind es drei Gurkenhobel und noch etwas dabei, hier muss ich sagen: Es war nicht so mein Ding, dies kann vollständig an mir liegen …, Umso schöner: Johanna Christine Gehlen und Sebastian Belzen lesen Gedichte von Erich Kästner und man weiß es ja: Man sollte mehr Kästner lesen, jeden Tag ein Gedicht von ihm macht jedes Leben reicher, oder auch einfach nur glücklich. Sie lesen „Brief an meinen Sohn“ – „Der synthetische Mensch“ und andere. Vor allem Frau Gehlen liest diese Gedichte mit einer beeindruckenden, ruhigen und klaren Stimme besonders schön.

Gustav Peter Wöhler und Band
Alle Fotorechte: Jürgen Joost

Zum Schluss heizt Gustav-Peter Wöhler mit seiner Band den vollen Saal noch ein wenig ein, er beginnt mit dem Lied „Moonshadow“ von Jussuf Islam, vormals Cat Stevens. Er singt den Song ein wenig süffisant, trägt ein buntes, zu einem turbanähnlichem Etwas geknotetes Tuch auf dem Kopf, zum Schluss des Liedes wickelt er es ab, ruft „inshallah“ in die Menge. Den Abend rund macht er mit „Eye in the sky“ von The Alan Parsons Project“, wir gehen mit, dann ist dieser so ereignisreiche Abend zu Ende.

Es war ein Abend mit Glanz und Glamour, ein Abend mit Spitzen und Kanten, schön zu sehen, dass das auch zusammen geht!

Silke Opfer, Vorstellungsbesuch 4.9.23

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