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Nomen ist nicht immer Omen, oft reicht er nicht allein, da hinter kann noch viel mehr „wohnen“! Kommt! Schaut doch einfach rein!

First Stage Theater: Natürlich Blond, natürlich Pink = Wohlfühl-Musical? Natürlich!

Wie ich sie bewundere, all die jungen Menschen, die sich in dieser Zeit, in der (medialer) Erfolg so oft leider von Glück genauso abhängig ist wie von Talent, harter Arbeit und Fleiß, auf den Bühnen welchen (Musik)Theatergenres auch immer, zeigen was sie können. Die Schüler des gerade beginnenden Abschlussjahres der Stage School Hamburg, bewiesen mit ihrer Semesterarbeit Natürlich Blond – Das Musical, dass sie viel können und vor Energie und Spiellust nur so strotzen! Das Ergebnis: gut zwei Stunden Spaß für alle auf und auch vor der Bühne! Ja, was mitten in einem Wohngebiet in Hamburg Altona im First Stage Theater stattfindet, ist mit dem, was ich seit Jahren -nein, Jahrzehnten- in der Staatsoper Hamburg genieße, nicht zu vergleichen. ABER meine „Ausflüge“ in die Branche der eher kleinen Privattheater Hamburgs erweitern meinen „Hab doch einfach mal Spaß“-Horizont. Ganz vorne weg eben das First Stage Theater mit seinen jungen, motivierten Künstlern, seinem stets charmant moderierenden Leiter Dennis Schulze und allem was noch so für einen einfach nur unterhaltsamen Abend wichtig ist.

E. Bengs
Alle Fotorechte : Patrick Sobottka.

Von „A“ wie Ausstattung bis „Z“ wie Zwischentöne

Wirklich alles an diesem Abend lag in der Hand der Schüler. Dozentin Nadja Dan Bernhardt fungierte nur als Supervisor. Das Kennenlernen der Arbeit auch hinter der Bühne, hält Schulze für einen Darsteller wichtig, dass die gestrigen Darsteller*innen ihre Aufgaben und die Teamarbeit äußerst ernst nehmen, zeigt das Ergebnis, das noch bis zum 6.8. zu sehen, zu begutachten, zu genießen ist. Selbst beim Schlussapplaus ging es um alle zusammen. Auch die Darsteller der Hauptrollen traten als kleine Gruppe und nicht einzeln auf. Allein die Verantwortlichen für Regie (Tahlita Kemnitzer, Sabrina Böker (Assistenz) ), Choreografie (Nadja Kilchherr), Musikalische Leitung (Emil Schuler). Produktionsleiterin Linda Tauber, wie auch Julia Kim Herrmann (Kostüme), Monique Weißflog (Choreografie Assistenz), und nicht zuletzt, die Elle des Stückes Elisabeth Bengs (Maske und Make up) standen neben diesen Aufgaben zusätzlich auf der Bühne.

M. Kikken, E. Bengs
Alle Fotorechte : Patrick Sobottka.

Allen wie auch immer Verantwortlichen ist es gelungen die Geschichte der junge Schönen aus Malibu mit viel Gespür für Details für Spiel und auch allgemeiner Regie zu erzählen: Elle Woods, eine Malibu-Schönheit, beschließt, um ihren Freund Warner  Huntington III (Maximilian Kikken) zurückzugewinnen, wie er in der Edel-Universität Harvard „Jurisprudenz“/Jura zu studieren. Ein Vorhaben, dass so natürlich nur schief gehen kann. Doch mit Hilfe von Emmett (Phiipp Kuhn), dem Assistenten des selbstherrlichen Professors Callahan (Dominik Krumschmidt), der ihr den berühmten kleinen Tritt in den … versetzt, und ihre nur „Woods, Komma Elle“ eigene Art, erkennt sie, dass sie viel mehr ist als „Natürlich blond“, bleibt dabei aber auch in der Beweisführung immer sie selbst: die herzliche, ganz den sozialen Regeln ihrer Schwesternschaft treue, Einser-Schülerin in Sachen Mode und Stil.

M. Kikken, P. Kuhn, E. Bengs
Alle Fotorechte:: Patrick Sobottka.

Die Charakterisierungen auch der kleinsten Partien sind gut gelungen und auch von jedem hier nicht namentlich Erwähnten wunderbar umgesetzt. Daneben beindruckt auch die einfache aber effektvolle Art, eine Videoaufzeichnung zu symbolisieren indem die Betrachter vor der Bühne stehen und der „Film“ auf der Bühne „abläuft“. Und dann frage ich mich immer noch, wohin in einer der ersten Szenen Elles mädchenhaftes Kleid mit weitem Rock verschwunden ist. Denn sie schlüpft, verdeckt von ihren Delta nu Freundinnen in ein hautenges. Und das andere verschwand. Tja, ich bin wohl doch keine so aufmerksame Zuschauerin oder/und die Schüler*innen sind einfach auch in sowas gut.

E. Bengs, P. Kuhn, D. Krumschmidt, M. Stauffer, M. Kikken
Alle Fotorechte : Patrick Sobottka.

Mit viel Enthusiasmus gesungen, getanzt, gespielt

Elisabeth Bengss Elle ist frei von jeglicher Imitation von Reece Witherspoon, der Elle aus dem Film, mit dem sich das ganze Musical aber nicht vergleichen lassen will. Bengs zeigt die Entwicklung der Modepuppe mit authentischer Natürlichkeit. Ihr Gesang und überhaupt ihre ganze Art verführen dazu, sie sich nach Ende ihrer Ausbildung auch auf größeren Bühnen, in noch vielen anderen Partien zu wünschen. Ihre tänzerischen Fähigkeiten und ihre stets verständliche Aussprache geben ihr da einen wirklich großen Rahmen an Möglichkeiten.

Ähnliches gilt für Lena Detert als sympathische Friseurin Paulette, die ein großes Herz und immer aufmunternde Worte für alle hat, doch nur mit Elles Unterstützung erkämpft sie sich erst von ihrem brutalen Ex den Hund zurück und erobert dann das Herz eines irischen Mannes. Detert hat eine wunderbare Stimme und alles an ihr und ihrer Darstellung schreit gerade zu: „Ich liebe es auf der Bühne zu stehen!“

B. Malekzadeh, D. Petersen
Alle Fotorechte : Patrick Sobottka.

Auch die anderen Rollen sind perfekt besetzt. Melina Stauffer als anfangs unsympathische, typische reiche „Strebertussi“ Vivienne Kensington, die die Zukunft mit Warner schon genau geplant hat, überzeugt auf ganzer Linie. Es sind auch die Kleinigkeiten, die überzeugen, denn auch wenn sie dabei am Bühnenrand steht, merkt man ganz genau wann sich ihre Haltung zu Elle von Verachtung in Sympathie ändert.

Maximilian Klikkert ist ein arroganter „Schnösel“ wie er im Buche steht und gut zu der Rolle passt. Auch Dominik Krumschmidts Callahan übergeugt da von Anfang an herrlich schmierig und überheblich. Philip Kuhn als Emmett ist ganz der nette, schüchterne Typ, der gerade deshalb am Ende das Mädchen bekommt. Er ist bei den Herren derjenige -ja sogar der Einzige- der mich auch stimmlich, besonders im zweiten Akt, ganz und gar überzeugte. Bei den anderen auch im Ensemble ist noch ein wenig Luft nach oben, was sich aber – da bin ich überzeugt – im Laufe der Aufführungsserie ändern wird.

Alle Fotorechte : Patrick Sobottka.

Fazit: Wieder ein Abend (im First Stage Theater), den zu beschreiben mir schwerfällt, da es mich große Überwindung kostet ihn zu beenden. Gibt es doch noch soviel, was der Erwähnung wert wäre. Die hier möchte ich nicht verhehlen: Man erkennt das Leben im Kleinen irgendwie wieder in dieser Geschichte, die vielmehr „Fleisch auf den Rippen“, will sagen Tiefe hat, als auf den ersten humorgeschwängerten Blick erkennbar. Und am Ende des Abend fühlt man sich einfach wohl und begeistert von der von allen mit Leidenschaft und Können gegebenen Energie.

Andererseits ist es nicht immer am besten, selbst zu urteilen, auch wenn das Urteil vielleicht ganz anders lausfallen würde? Ich finde schon …
Und ach, ein paar Karten gibt es noch.

Birgit Kleinfeld, Vorstellungsbesuch 30.07.23

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