Titelbild: J. Zaurins, E. Weidel, G. Liptow, B.Arndt, Chr. R. Bauer, J. Neumann, S. Städtler, P. Michel/ Alle Fotorechte : O.Fantitsch, (www.fantitsch.de)
Die Musik im gemütlich plüschigen Saal des Imperial Theater erklingt bereits bevor das Licht ganz gelöscht ist. Die Spannung wächst. Passiert schon jetzt etwas Unerwartetes, wie zum Beispiel ein Auftritt aus dem Foyer durch den Saal oder mit einem aufwendigen technischen Trick? Aber halt! Wir sind ja nicht bei Tanz der Vampire, nicht in einem Musicaltheater mit um die 2000 Plätze, sondern in einem Theaterstück nach Bram Stokers berühmten Roman Dracula. Wir sind: „ganz weit vorne auf’m Kiez“ in einem ehemaligen (Porno)Kino, das gerade einmal 277 Plätze hat, womit sich die Sache mit der aufwendigen Technik aus – wie man so schon sagt – monetären Gründen erledigt hat.

Und das ist so was von gut so!
Ja, ich gehöre zu jenen, die schreiben und (oder) weil sie begeisterungsfähig sind, die Regietheater befürworten, wenn es neue Aspekte der Geschichte und im Falle von Oper der Musik beleuchtet, die lieber verstehen wollen statt zu verreißen. Aber wirklich, selbst wenn ich mich hier im Falle von Dracula bemühe, irgendetwas zu finden an dem ich herummäkeln könnte. Denn wer kritisiert -so meine Erfahrung- wird oft ernster genommen. Doch ich finde einfach nichts, ohne dass ich mich selbst belügen würde.
Auch ohne spektakulären Auftritt ist der Beginn, wie die ganze Inszenierung auf tradionelle Weise originell. Es werden dank Sprachaufnahmen die erste Briefe aus Stokers Roman aus dem Off gelesen, bevor wir uns dann in einem viktorianischen Salon befinden. Bis zur letzten Szene ist dies der einzige Spielort, andere werden höchstens durch Licht- und Projektionseffekte angedeutet. Auch an anderen Effekten mangelt es nicht, jene die auf wunderbare Weise beweisen, dass Einfachheit einen ganz besonderen Zauber hat.

Alle Fotorechte: © Oliver Fantitsch/ (www.fantitsch.de)
Mit oder ohne blitzendem Knall taucht Dracula an den unterschiedlichsten Stellen unerwartet auf. Seine Hypnoseversuche werden durch Lichtspiele untermalt und durch Musik, die gruseln lässt. Und ach, ich gestehe es – versprechen Sie, dass Sie es für sich behalten – ich gehörte zu jenen, die bei den Blitzauftritten vom schönen Grafen Dracula (Christian Richard Bauer) schon mal einen Kiekser der Überraschung von sich gaben.
Kurz, glauben Sie mir, es ist eine herrlich kurzweilige Unterhaltung an der garantiert die gesamte Familie ihren Spaß hat. Was natürlich nicht nur an der Regie von Frank Thannhäuser sondern an seinem gesamten Team liegt, das den einzelnen Figuren durch kleine Gesten Leben und Charakter einhaucht.

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Brokers Figuren zum Greifen nah
Sei es Bianca Arndt als Dienstmädchen Wells, Jessica Neumann als bodenständige Mina Murray, Eileen Weidel als Draculas Lieblingsopfer Lucy, Gosta Liptow als Lucys ewig irgendwelche Kissen arrangierender Verlobter Doktor Seward, Janis Zaurins als Van Helsing oder Sönke Städtler als von seinem Patienten Renfield in den Suff getriebener Pfleger Butterworth.
Alle überzeugen, doch diese beiden möchte ich besonders hervorheben. Christian Richard Bauers Dracula ist durch Kostüm, Aussehen aber vor allem durch Auftreten und Stimme eine absolut gute Wahl für die Darstellung des charmantesten Vampirs aller Vampire. Er – Dracula? Bauers? – entführt kleine wie auch alte „Mädchen“ durch sein Spiel in eine Traumwelt. Und soll ein gutes Theaterstück, das nicht belehren, sondern einfach nur unterhalten will, nicht genau das tun?

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Patrick Michel als Irrer Renfield, hat sicher die „Absahnerolle“ des Abends, die nämlich, die auf jeden Fall das Publikum in den Bann zieht. Doch er ruht sich auf diesen im Voraus gegebenen Lorbeeren nicht aus. Er gibt wirklich viel. Sein Lachen ist herrlich gruselig, dass er fast die gesamte Vorstellung in gebückter Haltung spielt allein schon bewunderungswürdig. Auch glaubt man die Fliegen, die er fängt, zu sehen oder gar ihr leisen Summen zu hören und seine Stimmmodulationen während seiner Monologe verursachen eine Gänsehaut, die an willkommene Furcht einflößende Gruselgeschichten am Lagerfeuer oder im dunklen Jugendzimmer mit Freunden denken lässt.

Der Anfang ist gemacht
Fazit: Das Imperial Theater bietet mit Dracula 145 unbeschwerte Minuten und ich frage mich ernsthaft, warum dies mein erster Besuch hier war, seit es zum Kult-Krimi-Theater geworden ist. Denn ich habe schon die Produktionen der Musicalzeit zwischen 1997-2013 sehr genossen. Mein letzter Besuch war es auf keinen Fall. Als nächstes steht Edgar Wallace wieder an… (Die Blaue Hand. Premiere 17.8.)
Bis dahin: klar Carpe diem, denn Arbeit muss sein! Carpe noctem- auch mal zum nicht schlafen! Und Carpe vesperi!- zum amüsieren! Und wie sagt Dr. Seward zu Mina: „Der Graf wird Ihnen gefallen.“ Was sie betrifft hatte er recht, Mina konnte ihm kaum widerstehen. Und was Sie, liebe Leser*innen betrifft, wer weiß…
Birgit Kleinfeld , Vorstellungsbesuch 21.7.23.
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https://www.theapolis.de/de/profil/patrick-michel
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