Titelbild Alle Fotorechte : © Kathrin Reh
Wer einmal hier war, kommt immer wieder her,“ sagt bei der Eröffnung des diesjährigen Kultursommers Semmering am 06. Juli Johanna Mikl-Leitner, die Landeshauptfrau von Niederösterreich. Und so ist es. Es ist bereits das achte Jahr dieses kleinen exklusiven Festivals im ehemaligen Sommerfrische-Ort der Kaiserzeit. Die Zuschauerzahlen wachsen von Jahr zu Jahr. Lesungen, Konzerte, Liederabende und manchmal auch kleine halbszenische Theateraufführungen.

Birgit Minichmayr und Bernhard Lhotzky & Band eröffnen das Festival mit Shakespeare-Sonetten (Abendveranstaltung). Der Kulturpavillion vor dem alten Grandhotel Panhans (in dem sich auch eine Spielstätte des Kultursommers befindet) ist voll. Birgit Minichmayr kann singen, und wie! Die Musik zu den Sonetten hat Bernd Lhotzky komponiert. Zuerst liest die Schauspielerin die deutsche Übersetzung und danach singt sie das englische Original. Birgit Minichmayr ist regelmäßiger Gast am Semmering. Ihre Lesung aus Thomas Bernhards „Alte Meister“ im Sommer 2020 war mein erster Besuch hier. Ja, wer einmal hier war …
Die Kombination aus abgelegener Sommerfrische, Naturschönheit und der Magie der alten Grandhotels mit ihren „Geistern“ (bis 2021 wurde im Südbahnhotel gespielt) ist konkurrenzlos, einmalig.

Am Tag darauf liest Klaus Maria Brandauer „Der Großinquisitor“ von Dostojewski und nach der Pause ausgewählte Briefe von Dietrich Bonhoeffer aus dem Gefängnis. Eine außergewöhnliche Kombination! Im zweiten Teil des Abends, im Bonhoeffer-Teil, wird er vom Pianisten Arno Waschk begleitet. „Der Großinquisitor“, der keine Musikbegleitung vertragen hätte, wird von Brandauer wie ein langes Gebet vorgetragen. Leise, fast flüsternd, hypnotisch, plötzlich ein lauter Ausbruch. Alle Facetten. Klaus Maria Brandauer hat für den diesjährigen Kultursommer insgesamt drei Lesungen zusammengestellt: am 05.08.23 liest er Sigmund Freud und am 26.08.23 Luis Bunuel (»Die Welt wird immer absurder. Nur ich bin weiter Katholik und Atheist. Gott sei Dank!«) .

Brandauer, Dostojewski und Bonhoeffer, ein intensiver Abend, „Sommerfrische für die Seele“ in der Tat, wie der Intendant Florian Krumpöck in seiner kurzen Einführungsrede treffend sagte. Das Festival geht noch bis Sonntag 03. September.
Josef Fromholzer