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Olga Peretyatko, Leon Gurvitch: Warten auf poetisch-musikalische Träumereien

Lange hat es gedauert bis ich die Musik von Leon Gurvitch für mich entdeckte. Hätte ich damals nicht durch Zufall den kurzen Trailer zu der Uraufführung seines Werkes Silentium in der Elbphilharmonie Hamburg gehört und diese daraufhin besucht, ja, dann hätte ich vielleicht von dem bevorstehenden Konzert am 24.9.2023 nichts erfahren, bei dem Olga Peretyatko Gurvitchs Lieder singt. Aber…
Aber natürlich hätte ich das Konzert auch dann besucht, als reiner Konsument, der berichtet  und sich nicht unbedingt für das „Drumherum“ interessiert. Dann wären mir die kleinen, von mir „Teaser“ genannten Interviews mit Leon Gurvitch und im weiteren auch mit Olga Peretyatko entgangen. Hier der bereits zweite Teil mit den Gedanken, Eindrücken und auch Emotionen des, seit langer Zeit in Hamburg lebenden, weißrussischen Komponisten/Dirigenten/Pianisten.

Fotorechte: Henriette Mielke


Birgit Kleinfeld (BK): Danke Leon, denn inzwischen sind wir ja beim Du, dass du uns durch Beantwortung meiner Fragen die Zeit des Wartens auf den 24.9. verkürzt. Die Probenarbeit mit Olga Peretyatko hat begonnen. Wie genau können wir uns diese Probenarbeit vorstellen?

Leon Gurvitch (LG): Gerne. Es ist so: als wir mit den Proben angefangen haben, kannte Olga meine Musik noch nicht. Meine Musik ist völlig neu für sie. »König Grauauge«  zu Texten von Anna Akhmatova ist auch ein komplett neues Werk, das noch nie live auf einer Bühne aufgeführt wurde. Auch die 6 Heine-Lieder, die ich ja schon an verschiedenen Orten aufgeführt habe, „Träumereien“ sind Neuland für Olga. Wir erarbeiten uns beide Werke gemeinsam. Die Arbeit ist sehr intensiv, denn das gesamte Material muss ja zuerst einstudiert werden. In der zweiten Stufe erarbeiten wir uns die Facetten und Kleinigkeiten in der Musik heraus. Und natürlich spielen ja auch die Texte eine große Rolle. Ich unterstütze, wo ich kann und Olga bringt sehr viel Erfahrung als Liedinterpretin und auch all die Leidenschaft mit ein, die sie immer auf einer Bühne zeigt.

Gideon Poppe, Olga Peretyatko, Jürgen Sacher
Fotorechte: Monika Rittershaus ( Staatsoper Hamburg, Hoffmanns Erzählungen 2021)

BK: Ja, sie ist immer sehr authentisch-engagiert in allem was sie macht, genau wie du, der seine Musik durch sein Klavierspiel nicht einfach zum Klingen bringt, sondern uns Zuhörer*innen viel von dir selbst offenbarst. Was eine vielschichtig intensive Zusammenarbeit, bei der es ja um den Klang, die Interpretation auch des Textes geht, sicher besonders spannend macht, wie auch die örtliche Trennung.

LG: Da Olga in Berlin wohnt, treffen wir uns dort, wenn sie Zeit hat zu einigen Proben an den einzelnen Liedern und erst die Generalprobe vor dem Konzert am 24.9. wird in der Elphi stattfinden. Wir freuen uns sehr auf den Kleinen Saal der Elphi, der eine fantastische Akustik für Abende mit Liedern mit Klavierbegleitung hat. Und einen wunderbaren Rahmen für die Hamburger Premiere von Träumereien und die Uraufführung von König Grauauge.
Was die Zusammenarbeit angeht, ja es geht um die Erarbeitung des richtigen Klangs, die Interpretation und den Ausdruck von Musik und Text. Manchmal hat Olga etwa andere Ansichten was Klang uns Ausdruck des Textes angeht. Ich bin da offen und wir nehmen kleine Änderungen vor. Die fallen dem Publikum sicher nicht unbedingt auf, denn wenn ich einem Künstler meine Kompositionen vorstelle, damit wir zusammen daran arbeiten, sind sie eigentlich fertig. Es geht dann nur noch um kleine Facetten, die für mich als Komponisten oder/und sie als Interpretin wichtig sind und für uns zu den Stücken passt, von denen es ja keine Aufnahmen zum Vergleich gibt.

O.Peretyatko, L.Gurvitch /// Fotorechte I. Gurvitch

BK: In unserem letzten Gespräch hast du, Leon, in Bezug auf König Grauauge gesagt: „Die ganz besondere Farbe, die Olga mitbringt,  gibt mir als Komponisten einen künstlerischen Anstoß.“ Magst du das näher erklären?

LG: Natürlich. König Grauauge ist ein sehr vielfältiger, vielschichtiger Gesangszyklus. Ich lege nicht fest, ob es speziell von einem Mezzosopran oder einem Sopran gesungen werden soll. Aber zum Beispiel habe ich ein Lied auf den Vorschlag von Olga spontan in eine höhere Lage, eine andere Tonart transponiert, da es zu ihrer Stimme besser passt. Generell gibt es noch einige Stellen an denen wir arbeiten könnten und werden. Ich komponiere nicht wirklich um, passe höchstens ein wenig an. Aber Olga meistert die Herausforderungen, die meine Musik für ihre Stimme an einigen Stellen darstellt, wirklich meisterhaft .

BK:Leon entschuldige, wenn ich dich unterbreche und ein wenig in mich hinein lächle, weil ich es so sympathisch finde und auch glaube es nachvollziehen zu können. Gehörst du, wie zum Bespiel zwei meiner Lieblingsautoren, Oscar Wilde und Carlos Ruiz Zafon, zu jenen Künstlern, die zwar wissen, ihr Werk ist eigentlich fertig, aber so in ihrer unerschöpflichen Kreativität gefangen sind, dass sie nicht anders können als es immer wieder zu ändern?

S. Sligin, O. Peretyatko Alle Fotorechte: Sophie Wolter

LG: Ja, zu denen gehöre ich absolut. Bei mir gibt es immer mehrere Versionen bis das Stück zumindest gereift ist. Fertig… nun ja, wie du vermutest ich arbeite unendlich an meinen Stücken. Aber für die Elbphilharmonie wird alles gut vorbereitet sein. Olga nimmt sich neben all Ihren Auftritten überall auf der Welt viel Zeit, die beiden Zyklen zu lernen. Und auch ich habe viele andere Projekte. Du weißt, dass wir im April die Uraufführung von Silentium hatten und es inzwischen sogar eine Aufnahme davon gibt.

BK: Ja, ich erinnere mich an den Abend und wie berührt das Publikum war und bin sicher, dass den Besucher*innen am 24.9.2023, wegen deiner Musik und auch Olga Peretyatkos Gesang ähnlich gehen wird.

LG: Ja, das Projekt mit Olga Peretyatko über deren Teilnahme ich mich sehr freue und mich geehrt fühle, wird ein sehr großer Meilenstein sein, auf den ich mich, trotz anderer Projekte, mit aller Kraft vorbereiten werde. Denn das Konzert ist mehr als ein Lieder/Klavierabend, wir erzählen ein kleines Drama, eine Geschichte und wenn wir nicht unsere Seele hineinlegen, kommt es nicht beim Publikum an. Und wie ich ja schon sagte, auch der Kleine Saal der Elbphilharmonie hat für mich eine besondere Atmosphäre – ja „Seele“-, so dass  ich mich immer sehr wohl fühle wenn ich dort spiele.

BK: Damit bestätigst du meine Meinung von dir als einfühlsamen Künstler zu 100%. Aber eine letzte Frage noch, könntest du mir aus den Gedichtzyklen von Heine bzw. Akhmatova eines nennen, das dir besonders gefällt?

Leon Gurvitch // Photo Credits: Ariane Rosenberg

LG: Nein, eigentlich nicht...

BK: …. aber?

LG: Nein, nicht „aber“, sondern eher „weil“. Weil zum Beispiel jedes Gedicht von Akhmatova ein ganzer Kosmos für sich ist und ein bestimmtes auszuwählen, wäre unfair. Jeder Takt, jedes Wort jede Silbe hat eine ganz eigene Tiefe. Ich wusste es vorher nicht, aber auch Prokofjev hat König Grauauge vertont.
Akhmatova und Heine sind einfach Weltliteratur und ich habe Werke ausgewählt, die eine Bedeutung für mich haben. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

BK:Dann sag ich nun einfach noch einmal vielen Dank auch für diesen „Teaser“. Es wird noch mindestens zwei mit dir geben. Der nächste, soviel sei verraten, wird ein Video sein zu dem Thema: „Hinter jedem erfolgreichen Mann…. “ und ich freue mich schon jetzt sehr auf deine sympathische Gattin Irina, von der ich weißt. dass sie dich sehr unterstützt.
Bis dahin weiterhin viel Inspiration, aber auch Entspannung und einen schönen Sommer!

https://leon-gurvitch.com/
https://www.olgaperetyatko.com/

Links zu Konzert und Tickets
https://www.elbphilharmonie.de/de/programm/leon-gurvitch-olga-peretyatko/19997
https://elbphilharmonie.reservix.de/p/reservix/event/2102932

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