Titelbild: alle Rechte: https://www.kiranwest.com/
Im vergangenen Jahr faszinierten die damaligen Mitglieder des Bundesjugendballetts (BJB) mit John Neumeiers Die Unsichtbaren am Ernst Deutsch Theater. In diesem Jahr traten sie zum Anlass der 48. Balletttage mit Der Bürger als Edelmann / BJB Songbook – What We Call Growing Up im Großen Haus der Staatsoper Hamburg auf. Oh, ja ich schloss mich den Standing Ovations des gesamten Publikum an, irgendwie auch wirklich aus Überzeugung, denn eigentlich ist mir schon bewusst, welch großartige Leistungen die jungen Leute vollbrachten, aber „uneigentlich“ sprang der Funke zu mir persönlich an diesem Abend nicht vollkommen über.

Alle Fotorechte: Kiran West
Bei John Neumeiers Choreografie zu Richard Strauß‚ Orchester Suite „Der Bürger als Edelmann“ sitzt das Orchester (Mozartfest Ensemble) auf der Bühne und getanzt wird, wie auch später im Songbook auf dem abgedeckten Orchestergraben und einem kleinen Bühnenabschnitt.
Mit gutem Willen ist eine angedeutete Handlung erkennbar: Da ist der Außenseiter/Bürger, der einen Platz in der feinen Gesellschaft, die hier aus drei Paaren besteht und untereinander in verschiedenen Pas de Deux miteinander kommuniziert. Sein Erfolg hingegen ist mäßig, oft scheint es auch, er will es nicht anders. Doch auch wenn alle acht Tänzer*innen, allen voran João Vitor Santana, als Außenseiter/Bürger, überzeugend ihr Bestes gaben, fehlt es dem Stück an… . Ja, woran? Persönliche Befindlichkeiten? Mag sein, es hängt ja immer viel vom Betrachter selbst ab. Ich denke jedoch ein weiteres Problem ist, dass ich diese Bewegungsabläufe, so passend und aussagekräftig sie auch sind, einfach zu oft in anderen Stücken, die ähnliche Emotionen und Situationen zum Thema haben, gesehen habe. Auch fehlt mir der Humor, der in der Musik durchaus vorhanden ist.

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Das BJB Songbook -What We Call Growing Up entstand bereits 2017. Damalige BJB -Mitglieder schrieben für diese bunte Tanzcollage ganz persönliche Texte, die sich mit Erwachsen werden, Diversität, Rassismus und ähnlichen, leider nie an Prägnanz verlierenden Themen beschäftigen und sprachen sie auch selber ein. Die 12 Lieder aus den Federn von Songwriter Größen wie unter anderem Leonard Cohen, Joni Mitchell, Carol King und Bob Dylan, live interpretiert von 10 Musiker*innen, von denen besonders die vier Sänger*innen mit markanten, souligen bzw. samtweichen Stimmen überzeugten. Für die Choreografien zeichnen Ricardo Urbina, Marc Jubete, Sasha Riva und Raymond Hilbert verantwortlich. Entstanden ist ein Bühnenwerk, das im „geordneten Chaos der Gefühle“ in Pas de deux, Soli und Szenen sichtbar macht, was die Tänzer der Uraufführung und sicher die Jugend heute und in der Zukunft bewegt und immer bewegen wird.
Und wenn wir „Alten“ ehrlich sind, trifft dieser Satz aus BJB Songbook auch auf uns zu: „Ich habe Angst vor der Zukunft … und manchmal auch vor der Gegenwart“.

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Fazit: Verglichen mit meinen anderen Artikel, kommt dieser „Schweigen“ schon recht nah und dennoch bleibt mir dieses Mal nicht mehr, als zu betonen, dass ich Lormaigne Bockmühl, Almudena Izquierdo, Ayumi Kato, Milla Loock, Kieren Bofinger, Giuseppe Conte, Moisés Romero und João Vitor Santana nur sagen kann, dass sie für ihre Präzision im ersten und ihre Leidenschaft im zweiten Teil jedes Bravo verdient haben und ich mich auf jeden Fall darauf freue, sie bald wieder auf einer Bühne zu erleben. Vielleicht ja sogar dann als Ensemblemitglied des Hamburg Balletts?!
Birgit Kleinfeld, Vorstellungsbesuch 22.6.23
Link:
https://www.bundesjugendballett.de/
BJB in der Christuskirche:
https://ev-ke.de/kalender/artikel/bundesjugendballett-trifft-unsere-modernen-apostel-innen