Am Ende sind dem Publikum ein paar Sekunden der Stille gegönnt, bevor der laute, heftige Applaus losbricht, „eingeläutet“ im wahrsten Sinne des Wortes, durch ein nicht ausgeschaltetes Mobil-Telefon. „Ewig … ewig … ewig!“. Die Mezzosopranistin Ekaterina Gubanowa hat diesen langen, gewaltigen, intensiven „Abschied“ ergreifend, ohne Sentimentalität, ausklingen lassen. Es ist ein Verglühen im besten Sinne. Endzeitstimmung. Das Tageslicht verschwindet. „Die Sonne scheidet hinter dem Gebirge…„. Danach braucht man Stille. Der innere Nachhall ist groß. Der „Abschied“ hat eine ähnliche Länge wie alle Stücke davor zusammen. Wer vom „Lied von der Erde“ eine LP besitzt, sieht es an der Seitenaufteilung; eine LP-Seite alleine für den „Abschied“!

Begonnen hatte dieser Abend, dieses Gastspiel der Münchner Philharmoniker unter der Leitung von Tugan Sokhiev, mit der knapp 30-minütigen 9. Symphonie von Dmitri Shostakowitsch (die im Sommer 1945 entstanden ist und als Huldigung des Herrschers erwartet wurde – und mit der Stalin aber dann nicht zufrieden war. ). Shostakowitsch, der erste Teil des Abends, des Konzerts, ein Vorspiel zu Mahler, oder wie immer man es nennen möchte. Ein akustisches Durchlüften für das Hauptwerk des Abends, Gustav Mahlers „Das Lied von der Erde„. Man könnte „Das Lied von der Erde“ alleine aufführen, aber klassischerweise gibt es meist ein kurzes Stück davor. Auch Bruno Walter, der Dirigent der Uraufführung, hat es so gemacht; bei Walter gab es Schuberts „Unvollendete“ davor (z.B. am 22.08.1949 bei den Salzburger Festspielen).

„Schon winkt der Wein im gold`nen Pokale “ . Der Tenor Andreas Schager startet stimmgewaltig, textverständlich und mit dem nötigen „Rausch“ in der Stimme für das „Trinklied vom Jammer der Erde“. Hier sind sofort die hundert Prozent notwendig, um gegen das Orchester zu bestehen. Es wird laut. Im gesamten „Lied von der Erde“ ist Textverständlichkeit äußerst wichtig; es stecken so viele Wahrheiten in diesem Werk, besonders aber im „Trinklied“. „Ein voller Becher Weins zur rechten Zeit ist mehr wert als alle Reiche dieser Erde!“. Schager und Gubanova ergänzen sich bestens, Tenor – Alt/Mezzo . Wieder könnte man die Diskussion starten, welche Stimmaufteilung wohl die optimale sei, im Vergleich zu Tenor – Bariton ? Die Geschmäcker sind verschieden. Der russische Dirigent Tugan Sokhiev leitet die Münchner Philharmoniker souverän und gelegentlich – sichtbar – mehr Lautstärke fordernd.

„Jetzt nehmt den Wein! Jetzt ist es Zeit, Genossen! Leert eure gold`nen Becher zu Grund!“
J. Fromholzer, Vorstellungsbesuch 16.5.23