Titelbild: Alle Rechte Josef Fromholzer
„Der edle Tannhäuser, ein deutscher Ritter, hatte viele Länder durchfahren und war auch in Frau Venus` Berg zu den schönen Frauen geraten, das große Wunder zu schauen. Und als er eine Weile darin gehaust hatte, fröhlich und guter Dinge, trieb ihn endlich sein Gewissen, wieder herauszugehen in die Welt (…)“, so direkt beginnen Jakob und Wilhelm Grimm ihren Text über Richard Wagners Tannhäuser (der auf Seite 11 im Programmbuch der Berliner Staatsoper abgedruckt ist). Die Staatsoper Unter den Linden hat nach längerer Zeit die Tannhäuser Inszenierung von Sasha Waltz aus dem Jahr 2014 wieder aufgenommen; die Premiere damals fand im Schillertheater statt. Von der Premierenbesetzung noch dabei ist die russische Mezzosopranistin Marina Prudenskaya als erotische Venus mit warmer, dunkler Stimme.

Für eine normale Repertoire-Vorstellung ist diese Produktion von Sasha Waltz bestens besetzt: Lise Davidsen als Elisabeth, Marina Prudenskaya und der italienische Bariton Andre Schuen als Wolfram. Ein Wolfram in einer (fiktiven) „Gerhaher-Liga“, wie betont werden muss. Christian Gerhaher hatte 2015, bei den Osterfesttagen der Berliner Staatsoper, den Wolfram in dieser Inszenierung gesungen, und damals (so wie Schuen jetzt, 2023) mehr Applaus bekommen, als der Titelheld Tannhäuser. Der Tannhäuser Vincent Wolfsteiner findet erst so richtig im 2. Akt zu seiner Bestform („Gepriesen sei die Stunde ….“). Ein solider Tannhäuser, manchmal jedoch etwas zu leise im lauten Wagner-Klang der Staatskapelle Berlin, geleitet von Sebastian Weigle. Lise Davidsen als Elisabeth, mit ihrer voluminösen Stimme, wirkt sehr dominant und groß neben dem Tannhäuser Vincent Wolfsteiner.

Die Bühne in der Inszenierung wird mit fortschreitender Dauer immer leerer; ein Tannhäuser am Ende fast im leeren Raum, eine weitgehend leere Bühne, das gefällt mir. Da bleibt viel Raum für die Musik. Der Abendstern, den ein zuerst liegender Wolfram singt und sich während des Singes erhebt, setzt sich fest. Mit dieser Arie vor dem inneren Ohr geht man nachhause. „O du, mein holder Abendstern, wohl grüsst’ ich immer dich so gern“
Leider gibt es von Andre Schuen noch keine Wagner-Aufnahmen auf CD oder LP. Langer begeisterter Applaus und heftiger Jubel beschließen diesen Berliner Opernabend.
Josef Fromholzer (4.5.23)
Links:
https://www.staatsoper-berlin.de/de/
https://www.andreschuen.com/#home
https://prudenskaya.de/
https://www.lisedavidsen.com/
https://www.sebastianweigle.com/
https://dramatictenor.wordpress.com/
Link zur im Text empfohlenen CD https://www.deutschegrammophon.com/de/kuenstler/andre-schuen/neuigkeiten/lieder-von-liebe-und-verlust-andre-schuen-und-daniel-heide-mit-schuberts-schwanengesang-267718