Liederabende im Kleinen Saal der Elbphilharmonie Hamburg werden mehr und mehr zu zu einem absoluten Must-See. Schon die wunderbaren Abende von Regula Mühlemann, Seda Amir Karayan und Olga Peretyatko, begeisterten nicht nur mich allein. Dann die Uraufführung von Leon Gurvitchs Werk Silentium: Ein wahrer Genuss. Wie wunderbar, dass es am 24. 9. 2023 einen Abend geben wird, bei dem Olga Peretyatko Lieder aus der Feder von Gurvitch singt. Doch halt, in diesem Text geht es um ihn: Mikhail Petrenko, der, begleitet von Ian Burnside, mit Liedern von Piotr Tschaikowsky und Sergej Rachmaninov das Publikum im fast ausverkauften Saal in seinen Bann zog.

Alle Fotorechte: Daniel Dittus
Was ist uns Sprache wenn der Sänger Bilder „malt“?
Ja, es ist nicht einfach sich ganz und gar vorbehaltlos auf eine Sprache einzulassen, die man nicht 100%ig versteht, deren Klang aber aus dem romanischen kommt und somit doch recht vertraut ist. Noch schwieriger ist es, sich der russischen Wortmelodie hinzugeben, besonders wenn die Originaltexte von Heinrich Heine („Warum?“) und Johann Wolfgang Goethe sind. Aber auch wenn es ein recht ungewöhnliches Hörerlebnis war „Nur wer die Sehnsucht kennt“ auf russisch zu hören, bleibe ich dabei: Sprache wirklich zu verstehen wird -fast- zur Nebensache, wird die Musik von einem so ausdrucksstarken Künstler wie Mikhail Petrenko interpretiert. Darum auch die russische Schreibweise der Namen der Komponisten.

Alle Fotorechte: Daniel Dittus
Deutschen Text mitlesen? Warum? Die Bilder „klingen“ klar.
Es gelingt Petrenko wirklich mühelos dem Publikum die Botschaften von Musik und -ja, auch Worten- mitzuteilen. Er ist ein sehr körperlicher Sänger, der darauf verzichtet vom Blatt zu lesen, sondern frei und imponierend auf der Bühne regelrecht zu agieren. Er liebt, leidet, verzeiht und betört besonders im Tschaikowsky -Block. Sein Bass ist sicher und volltönend geführt und seine Gesten und seine Mimik sind nur das berühmte „Tüpfelchen auf dem i“ zu seiner wunderschönen Stimme.
Gelingt Petrenko und Burnside mithilfe von Tschaikowskys Melodien die Melancholie der russischen Seele spürbar zu machen, scheinen die Texte im Rachmaninow Blog noch metaphorischer, verzweifelter und sind durch die wuchtigeren Klänge nicht eindrucksvoller aber noch tiefer unter die Haut gehend. Besonders gilt dies für Schicksal (Text: A. N. Apuchtin). Hier bräuchte es nicht einmal der immer wieder und in Variationen anklingenden ersten Noten aus Beethovens 5. um die umfassenden Emotionen nachzuempfinden. Ähnliches gilt, wenn auch viel positiver, für die Zugabe Brief an Konstantin Stanislawki, Rachmaninovs selbst vertonte, vor Begeisterung überschäumenden Gratulation zum 10-jährigen Bestehen des Theaters des von ihm verehrten Künstlers.
Fazit: Ich kann, auf Petrenko bezogen; auch im Namen des restlichen Publikums, nur einen Teildieses Briefes zitieren: Bravo! Bravo!
Und wie das Off-Topic Video zeigt, hat dieser Abend neugierig gemacht, die unzweifelhaft großartigen gesanglichen und darstellerischen Fähigkeiten Petrenkos einmal in einer Bühnenpartie und vielleicht sogar auf Deutsch zu sehen.
Birgit Kleinfeld, Vorstellungsbesuch 24.4.2023.