Ein außergewöhnliches Konzert, ein außergewöhnlicher Liederabend an der Wiener Staatsoper: auf dem Programm stehen sowohl die gesamte „Schöne Müllerin“ von Franz Schubert, als auch die gesamte „Dichterliebe“ von Robert Schumann. Eigentlich werden nach der „Schönen Müllerin“ überhaupt keine Zugabeben mehr gegeben, vielleicht gerade noch Schuberts „Forelle“ (so macht es zum Beispiel Helmut Deutsch mit Mauro Peter oder Jonas Kaufmann – aber auch das ist umstritten). Nach Schubert und Schumann war – als Zugabe – darüber hinaus Richard Wagner angekündigt (von Andreas Schager in den sozialen Medien). Hat es so ein Programm jemals schon gegeben? Ich glaube nicht. Iron Man des Liedgesangs, könnte man sagen!

Schon die „Müllerin“ alleine verlangt ca. 65 – 70 Minuten Gesang am Stück. Eine sehr große Herausforderung. Am Flügel sitzt der erfahrene Pianist Helge Dorsch, der auch Hermann Prey und Edith Mathis begleitet hatte. Hier, in der Wiener Staatsoper, ist es die „Müllerin“ eines Heldentenors, ausdrucksstark und opernhaft von Andreas Schager vorgetragen. Heller Glanz. Leider gibt es beim Stück „Pause“ tatsächlich eine Pause. Man ist gezwungen aus Schuberts Welt aufzutauchen. Diese echte Pause wäre am Ende, nach „Des Baches Wiegenlied“, notwendig gewesen, um dem Publikum doch ein paar längere Momente der Stille zu schenken, bevor es mit „Im wunderschönen Monat Mai“ weitergeht. Der innere Nachhall von Schuberts „Des Baches Wiegenlied“ ist gewaltig.

Die „Dichterliebe“ ist der Höhepunkt des Abends. „Im wunderschönen Monat Mai ….“. Intensiver Liedgesang, Schager nimmt das Opernhafte zurück, nimmt den „Siegfried“ zurück. Schumanns Musik und Heines Text stehen im Mittelpunkt. Am Ende, bei den „alten bösen Liedern“, wird es nicht ganz so traurig und schwer wie bei einem dunklen Bass. Erinnerungen an Rene Papes „Dicherliebe“ werden wach. „Wißt Ihr warum der Sarg wohl , So groß und schwer mag seyn? Ich legt’ auch meine Liebe Und meinen Schmerz hinein.“ Die Zeit steht still für ein paar wenige Augenblicke.

Heftiger Applaus bevor der Zugabenteil beginnt, der nicht nur Richard Wagners „Winterstürme wichen dem Wonnemond“ bringt sondern auch „Freunde, das Leben ist lebenswert“ aus Franz Lehars „Guiditta“. Jetzt kennt die Begeisterung keine Grenzen mehr. Von der „Müllerin“ bis „Guiditta“, das ist sportlich. Beim Verlassen des Opernhauses hat man (natürlich!) „Freunde, das Leben ist lebenswert“ im Ohr, mit großer Dominanz! Lehar hat Schubert etwas zugedeckt. Ein beeindruckender Abend, der in Erinnerung bleiben wird.
Josef Fromholzer, Vorstellung: 28.2.2023
Links:
https://www.wiener-staatsoper.at/
https://www.andreas-schager.info
https://www.helgedorsch.com/