Seit dem 26.2.23 steht sie wieder auf dem Spielplan der Staatsoper Hamburg: Giacomo Puccinis Oper Tosca. In dieser Serie erzählen die Sopranistin Natalya Romaniw, der argentinische Tenor Marcelo Puente und der polnische Bariton Andrzej Dobber die Liebesgeschichte der berühmten Sängerin und des Malers mit revolutionären Ambitionen.
Bretter, die ihr die Welt bedeuten; der Mann, für den sie tötet
Besonders diese Liebe, aber auch Cavaradossis Freundschaft zu Angelotti, einem geflüchteten Politiker und Konsul der ehemaligen Republik Rom, sind Scarpia ein Dorn im Auge. Angelotti und auch Cavaradossi will er unbedingt festsetzen und Tosca besitzen. Ersteres gelingt ihm mit Hilfe von brutalen Winkelzügen und auch Toscas Eifersucht, die sie dazu bringt das Versteck Angelottis zu verraten und so Cavaradossi als Verräter zu entlarven. Scarpias Plan Tosca zu erpressen, indem er ihr verspricht Cavaradossi nur zum Schein erschießen zu lassen, geht jedoch nicht auf. Die temperamentvolle Sängerin ersticht ihn, nur um wenige Zeit später selbst vom Dach der Engelsburg, dem Hinrichtungsplatz, in den Tod zu springen. Dabei ruft sie: „Scarpia, uns richte Gott!“ Denn er hat sie betrogen und Toscas Geliebter findet den Tod durch Erschießen anstatt wie versprochen mit ihr fliehen zu können.
Regisseur Robert Carsen und sein Bühnen- und Kostümbildner Anthony Ward siedeln die Handlung auf einer Bühne an, der optisch ausgedünnte Chor besteht aus einigen Ballettmädchen und Platzanweisern und anderen Personen, die zum Theater gehören. Die Madonna, die beim Te Deum im ersten Akt im Bühnenhintergrund erscheint ist keine Statue sondern eine lebendige Person. (Tosca?)

Toscas Kostüme erinnern an eine Primadonna der 1950er Jahre. Die Callas? Und am Ende stürzt sie sich in einen Orchestergraben im Bühnenhintergrund. Zuvor fiel mir diese Symbolträchtigkeit nie auf. Inzwischen scheint es mir nicht unwahrscheinlich, zumal sie ihren Lebensinhalt verloren hat. Und nein, damit meine ich nicht allein die Liebe zu Cavaradossi, zumindest nicht in dieser Inszenierung. Denn hier steht Tosca wirklich als die Diva, die von allen bewundert wird, und deren Eifersucht auf die Frau, deren Bild Cavaradossi gerade malt, tiefer geht. Glaubt sie doch bei diesem einen Menschen nicht die einzige zu sein, die er „vergöttert“.
Sicher sind aber noch ganz andere Gedanken möglich, denn die Inszenierung regt unauffällig dazu an. Zeigt einen Weg aber gibt ihn nicht genau vor.
Der Weg allerdings, den Dirigent Paolo Arrivabeni, das Philharmonische Staatsorchester Hamburg wie auch der Chor der Hamburgischen Staatsoper gehen, ist taktgenau, akzentuiert und „pucciniesc“-leidenschaftlich.

Künstler, die den (Neben)Figuren Leben einhauchen
Tosca ist ohne weiteres dem Genre Verismo zuzuordnen, spielen doch normale Menschen und keine Götter oder andere mystische Wesen oder Könige die Hauptrollen. Dazu kommt vielleicht auch, wenn auch auf einem anderen, nicht musikalischen Level, dass die Uraufführung, passend zum Spielort, vor der versammelten High Society aus der Politik stattfand, Zwar spielte zur damaligen Zeit die antikirchliche Haltung des Inhalts keine wirkliche Rolle, doch das Land stand kurz vor einer Militärdiktatur.
Puccinis Figuren finden sich auch heute noch auf die eine oder andere Art im wahren Leben wieder: da ist der Mesner, die Buffo-Figur der Oper, die für Schmunzeln sorgt. Mit viel augenzwinkernder Ironie und schöner Stimme von dem jungen Bass David Minseok Kan dargestellt. Da sind, wenn auch nur durch Claire Cascoins klaren Sopran dargestellten, der junge Hirte oder der pflichtbewusste Gendarm Sciarrone (Liam James Kara). Nicht zu vergessen der politische Flüchtling und ehemalige Konsul Cesare Angelotti, dem der junge Bass Han Kim stimmlich und ausdrucksmäßig viel Format verleiht.

Die drei Letztgenannten sind Mitglieder des Internationalen Opernstudios Hamburg, das unter der Leitung von Gabriele Rossmanith jungen, fertigausgebildeten Sängern den letzten Schliff wie auch die Möglichkeit zu ersten Auftritten gibt. Er hingegen ist ein alter Hase auf der Bühne der Staatsoper Hamburg: Kammersänger Peter Gaillard als, im Gegensatz zum ernsten Sciarrone, schleimig unterwürfiger Spoletta, den ich immer wieder gerne mit Charles Dickens‘ Uriah Heep vergleiche. Gaillard gelingt es stets, dass man Spolettta herrlich widerlich findet.
Künstler, die mit Leidenschaft gefangen nehmen
Schon bei seinem ersten Aufritt Un tal baccano in chiesa!/, der über den Köpfen der anderen Beteiligten auf einem Podest zwischen zwei Säulen stattfindet, beweist Scarpia Andrzej Dobber Charisma und Stimmgewalt, die Kraft und das Volumen seines klangvollen Baritons. Trotz seiner bereits 61 Jahre in einer Welt, in der Jugend immer wichtiger wird, klingt sein Forte auch beim Te Deum, wo er Orchester und Chor zu übertönen hat, fast mühelos. Außerdem beherrscht er in jeder Ton- und Stimmungslage die Kunst, die Stimme so zu modellieren, dass Emotionen und Gefühlsausbrüche fast greifbar sind. Auch erkennt man die Bedeutung und Aussage, die Scarpia außer dem wörtlichen Sinn eines Begriffes vermitteln will, selbst wenn man des Italienischen nicht mächtig ist oder den Obertext nicht mitliest. Dobbers Scarpia hofiert Tosca in der Kirche mit einem Charme, der an der Grenze, aber eben nur an der Grenze, der Übertreibung ist. Nonchalant und fast gelangweilt wartet er im zweiten Akt darauf, dass Cavaradossi entdeckt, dass Tosca, um ihn zu retten, sehr wohl Angelottis Versteck verraten hat um später dann regelrecht über sie herzufallen, als Lohn dass er ihr und ihrem Geliebten vermeintlich freien Abzug aus Rom gewährt. Seine Darstellung wie auch seine Stimme begeisterten das Publikum, zogen es in seinen Bann,

Fotorechte: Martina Lunau
Marcelo Puente steht Dobber in Leidenschaftlichkeit absolut nichts nach. Schon fast fünf zu lange Jahre ist es her, dass er in dieser Partie an der Staatsoper Hamburg zu sehen war. Schon von damals hab ich ihn als sehr intensiv spielenden, ausdrucksstarken Cavaradossi in Erinnerung, doch hat er dies noch gesteigert. Als Beispiele seien da sein regelrecht schadenfrohes Lachen vor seinem kraftvoll mitreißenden Vittoria! Vittoria! genannt oder all die kleinen, oft zärtlichen Gesten mit denen er Tosca in der Kirche zum Gehen und im Salon von Scarpia zum Schweigen bringen will. So sehr Puentes Cavaradossi auch liebt, so sehr ist er auch Kämpfer und es scheint am Schluss, dass er sich sehr wohl bewusst ist, dass Scarpia Tosca betrog, er selbst sie aber nicht verletzen will.
Optisch wie stimmlich gehört Puente immer noch zu der Riege der Tenorhelden. Seiner Auftrittsarie : Dammi i colori!…Recondita armonia fehlt an diesem Tag vielleicht ein Fitzelchen an der sonstigen Leichtigkeit. Doch ist dies schnell vergessen, denn schon ab der großen Szene mit Tosca im 1.Akt sind die Piani voller Schmelz, die Höhen sicher und voller tenoraler Strahlkraft. Und so bleibt es über E Lucevan Le Stelle und Amaro Sol Per Te M’era Il Morire bis hin zum E Non Giungono. Dass Puente, wie er selbst sagt, gerne in Hamburg singt und besonders der Cavaradossi ihm am Herzen liegt, ist unüberhör- und unübersehbar. Und Hamburg dankte es ihm mit viel Jubel und Applaus.

Fotrechte: Martina Lunau
Natalya Romaniw hatte in der Titelpartie ihren ersten Auftritt an der Staatsoper Hamburg. Drei Mal noch ist sie an der Seite von Puente und Dober zu erleben (4., 7., und 11.3.). Im Rahmen der Italienischen Opernwochen (30.3., 2.4.) stehen dann Stefan Popp und Erwin Schrott an ihrer Seite. Möge der 2.4. aber noch lange nicht ihr letzter Auftritt hier gewesen sein, denn ihr Hausdebüt war hervorragend.
Romaniw ist die dritte im Bunde der leidenschaftlich-ausdrucksstarken Sänger in dieser Aufführungsreihe. Auch sie besticht durch Bühnenpräzens, vielseitiges Spiel und vor allem eine wandelbare und große Stimme, die sie sicher und leicht führt. Ihr Vissi D’arte geht unter die Haut, die von ihr ausgehende Faszination wird optisch durch hier sehr geschickte Beleuchtung unterstützt: Es wirkt als wäre die gesamte Bühne nur von dem Kerzenleuchter auf Scarpias Tisch erhellt, mit Focus auf Tosca und im Hintergrund Scarpia.
Natalya Romaniw ist eine hinreißend eifersüchtige Tosca, Scarpia gegenüber anfangs ganz Star, dann in allen Konsequenzen für ihre Liebe Kämpfende. Sie berührt und bewegt im 3. Akt durch ihre fast naive Zärtlichkeit in dem festen Glauben, dass alles gut geht. Ihre Zuversicht zeigt sie stimmschön und durch spielerische Leichtigkeit. Zurecht galt ihr der Hauptanteil des wirklich intensiven Jubels.
Fazit: Einfach ein schöner Puccini Abend