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Nomen ist nicht immer Omen, oft reicht er nicht allein, da hinter kann noch viel mehr „wohnen“! Kommt! Schaut doch einfach rein!

Im eisigen Glanz der Wintersonne: Günther Groissböck und Florian Krumpöck in Wiener Neustadt 

Franz Schuberts „Winterreise“ beim Bösendorfer Festival:  Schneidender Wind vor dem Kasematten-Komplex in Wiener Neustadt. Ein trüber, grauer Wintertag ist in die Nacht übergegangen. Der Saal ist voll und – dieses Mal – sehr gut geheizt; Erinnerungen an die letzte „Winterreise“  mit Günther Groissböck und Florian Krumpöck im ungeheizten und damals fast vollständig leerstehenden  Südbahnhotel am Semmering werden wach (September 2021 beim „Kultursommer Semmering“). „Gute Nacht“: Vom ersten Ton an entsteht ein starker Sog bei dieser Bass-Winterreise in dem kleinen Saal, man kann sich kaum mehr vorstellen, auch einmal eine Tenor-Winterreise gehört zu haben. Aber natürlich gibt es unterschiedliche Vorlieben  (und endlose Diskussionen darüber unter Lied-Freunden). Günther Groissböcks Stimmklang  ist  noch viel dunkler und mächtiger als derjenige von bekannten Bass-Kollegen unter seinen Lied-Vorgängern, wie zum  Beispiel Josef Greindl und Hans Hotter (deren „Winterreise“ auf alten Aufnahmen festgehalten ist – und auf you-tube zugänglich). Groissböck singt ausdrucksstark und  textverständlich, man versteht  jedes Wort. Günther Groissböck und Florian Krumpöck verstehen sich ohne große Gesten, ganz kurze Blicke genügen. Ein eingespieltes Team. 

Günther Groissböck
Photocredit: Dominic Stixenberger

Vor der „Krähe“ bahnt sich im Publikum ein medizinischer Notfall an. Anfangs wird die Aufführung nicht unterbrochen, aber bald geht es nicht mehr anders. Der Liederabend wird abgebrochen, es ergeben sich gut zehn Minuten Pause. Auch diese Pause kann weder die Intensität des Vortrags noch die große Aufmerksamkeit im Publikum wirklich unterbrechen oder beeinträchtigen. Man ist sogleich wieder mittendrinnen in Schuberts düsterer Welt, als es weitergeht. „Krähe, wunderliches Tier, Willst mich nicht verlassen?“ Franz Schuberts Liedzyklus gehört zu jenen Werken, die sich nicht abnützen, egal wie oft man sie gehört hat. 

Photocredits: Josef Fromholzer

„Drei Sonnen sah ich am Himmel steh’n, hab’ lang und fest sie angeseh’n;“ – die Nebensonnen, man sieht sie vor dem inneren Auge. Die „Winterreise“ geht zu Ende. Der eisige Glanz der Wintersonne entfaltet sich noch einmal in der Musik. Ein paar Sekunden Stille nach dem „Leiermann“. Das muss sein, bevor der laute und heftige Applaus einsetzt. „Winterreise“ ist Schwerstarbeit, man sieht es Günther Groissböck an. Für den Sänger  war dies der letzte von drei unterschiedlichen Liederabenden in Folge (ohne Pausentag dazwischen!). 

Günther Groissböck
Photocredit: Dominic Stixenberger

Günther Groissböcks bei DECCA erschienene „Winterreise“ (mit Gerold Huber am Klavier) ist leider schon vergriffen. Von Florian Krumpöck gibt es eine Aufnahme der „Winterreise“ mit dem Sänger Roland Neuwirth. 

Josef Fromholzer, Vorstellungsbesuch, 24.01.2023

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https://www.impresariat-simmenauer.de/kuenstler/guenther-groissboeck/

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