Herzlichsten Dank an Josef Fromholzer für seinen neuen, interessanten Bericht und die stimmungsvollen Bilder aus dem Akademietheater Wien:
Lieber Max, ich will alle meine Briefe zurückhaben, nicht nur die Zettel und Briefe, die mir versprochen wurden und die bis heute nicht eingetroffen sind, nach monatelangem Warten. (…) Ich möchte nur noch jedem denkbaren Missbrauch vorbeugen, und es ist selbstverständlich, dass ich nichts aufbewahren werden. (…)“, Ingeborg Bachmann an Max Frisch, 26.03.1964.
Legendär geworden durch die jahrzehntelange Sperrung der Briefe (und die einseitige Vernichtung durch Ingeborg Bachmann), ist der Briefwechsel von Ingeborg Bachmann (1926 – 1973) und Max Frisch (1911 – 1991) Ende November bei Suhrkamp und Piper in Deutschland gleichzeitig erschienen – über 1.000 Seiten (inklusive Anmerkungen). Ca. zwei Drittel der Briefe im Band stammen von Ingeborg Bachmann, ein Drittel von Max Frisch. Bachmann hat die Briefe Frischs vernichtet; ein Teil ist aber dennoch erhalten geblieben, da Max Frisch oft Durchschläge seiner Schreiben angefertigt hatte. Oft, aber nicht immer. Möglicherweise hat Frisch dabei an seinen Nachruhm gedacht ?!

Am 06. Dezember wurde dieser Briefwechsel im Rahmen einer Lesung auf der Bühne des Akademietheaters in Wien vorgestellt. Gelesen haben die beiden Burgschauspieler Caroline Peters und Roland Koch, knapp zwei Stunden lang. Was davon bringt man in zwei Stunden unter? Wie wählt man aus? Caroline Peters (Bachmann) und Roland Koch (Frisch) sitzen in bequemen Sesseln mit jeweils eigenem Tisch davor, großzügig verteilt über die Breite der Bühne. Rauch steigt auf, es handelt sich um künstlichen Zigarettenrauch. Noch vor wenigen Jahren wäre der auf einer Bühne in Österreich echt gewesen. Der künstliche Rauch passt sogar nicht zur Geschichte der beiden und zu den Jahren, in denen sie spielt, späte 1950er- und frühe 1960er-Jahre. Vor Roland Koch steht zudem eine Whisky Flasche. Zürich, Rom, Neapel, München, West-Berlin. Im Juni 1958 beginnt der Briefwechsel. Künstlicher Zigaretten-Theater-Rauch des 21. Jahrhunderts hat hier tatsächlich wenig verloren.

Es ist eine flotte Lesung, eingerichtet manchmal wie ein Gespräch, ein hin- und her. Wer zuvor noch nicht ins Buch geschaut hat, könnte denken, es sind kurze Briefe. Das sind sie jedoch nicht. Die von Victor Schlothauer erstellte Lesefassung bietet eine Art Gerüst der Beziehung, vom Anfang bis zum Ende. Nicht alles bekommt man alleine durch das Zuhören mit: beide haben mit Krankheiten zu kämpfen, längere Krankenhausaufhalte, das auch. Das Thema Sucht kommt hinzu. Die Lesefassung kann diese Bereiche nur anreißen. Mehr ist in zwei Stunden nicht möglich. Und immer wieder die Suche nach einem idealen Ort zum Schreiben, zum Arbeiten. Dem Schweizer Schauspieler Roland Koch (1959 geboren) hört man seine Herkunft nicht an. Er spricht einen souveränen, zurückhaltenden Max Frisch – mit leicht rauer, angenehmer Stimme. Caroline Peters ist eine sehr geübte, erfolgreiche Vorleserin; sie macht viele Lesungen und es gibt zahlreiche Hörbücher. Ihre Vorlesestimme ist bekannt. Eine Ähnlichkeit mit Bachmanns Stimme gibt es nicht. Von Ingeborg Bachmann selbst sind etliche Tondokumente erhalten und zugänglich.

Die knapp 2 Stunden vergehen schnell. Wer Interesse an diesem Briefwechsel hat, muss lesen, weiterlesen, das Buch lesen, das hier aufgezeigte Gerüst ausfüllen. Im Sommer werden auch die Salzburger Festspiele 2023 eine Lesung aus diesem Briefwechsel veranstalten: Mit Lina Beckmann und Charly Hübner, am 19.08.2023 im Landestheater Salzburg.
Im kommenden Jahr jährt sich der Todestag von Ingeborg Bachmann bereits zum fünfzigsten Male. Ihr Ruhm als Person, als Schriftstellerin, als Dichterin hat sich in diesen Jahrzehnten verselbständigt.
Josef Fromholzer /Vorstellungsbesuch 6.12.2022)
Links:
Caroline Peters:
https://www.burgtheater.at/ensemble/caroline-peters
Roland Koch:
https://www.burgtheater.at/ensemble/roland-koch