Titelbild: Anna Smirnova/ Fotorechte alle Bilder Hans Jörg Michel
Schon in der Premiere im März diesen Jahres überzeugte die russische Sopranistin Anna Smirnova vor allem mit ihrer authentisch intensiven Darstellung der Titelrolle in Giacomo Puccinis Oper Turandot, Puccinis letztem, posthum von Franco Alfano mit Hilfe von Originalskizzen vollendeten, Werk. In dieser Spielzeit wiederholt sie diesen Erfolg nun mit dem russischen Tenor Sergey Polyakov als Calaf und Clemens Bieber als Altoum an ihrer Seite. Die aus dem Kosovo stammende Sopranistin Elbenita Kajtazi bezauberte, nach ihrem erfolgreichen Debüt als Michaela in Bizets Carmen, nun auch mit ihrem Einstand als Liu. Am Pult steht in dieser Serie (6., 9., 18., 24.11.) Francesco Ivan Ciampa.

Alle Fotos: Hans Jörg Michel/Premierenserie
Provozierendes, konsequentes Ende
Ein Schauermärchen der Moderne nennt Yona Kim Puccinis letzte Oper.
Das Libretto von Giuseppe Adami und Renato Simoni basiert tatsächlich auf dem Theaterstück von Carlo Gozzi, der sich auf Sagen aus dem Chinesischen wie auch dem Persischen bezieht.
Da gibt es auf der einen Seite Turandot, die kämpferische Prinzessin, die jene Prinzen, die um sie freien, vor die Wahl stellt, drei Aufgaben oder Rätsel zu lösen um ihre Hand zu gewinnen oder, nicht nur im übertragenen Sinne, den Kopf zu verlieren. Ihr gegenüber steht Liu, eine Frau, die sich lieber selbst tötet statt, wie von der Prinzessin gefordert, den Namen des unerwidert Geliebten zu verraten. Auch Calaf. der siegreiche Prinz, ist unerschütterlich in seiner Leidenschaft und voller Selbstvertrauen. Anders als in anderen Produktionen entscheidet sich Kims Turandot gegen die Liebe. Konsequent bleibt sie dabei, sich nie der Liebe und einem Mann hinzugeben. Sie teilt dem Volk mit, dass der Name des Fremden Liebe sei und sticht Kalaf dann ein Messer in den Leib. Bleibt sich und ihren Überzeugungen, ganz anders als Liu und doch genauso entschlossen, treu: Keine Liebe, keine Hingabe, nur Unberührtheit und Reinheit. Bis in den Tod hinein, der auch sie durch die Hand des Mandarin ereilt.

Chor der Hamburgischen Staatsoper
Alle Fotos: Hans Jörg Michel/Premierenserie
Neuer „Hofstaat“ für die Prinzessin
Einzig Daniel Kluge in der Rolle des Pang und Ks. Jürgen Sacher als Turandots Vater Altoum gehörten zum Protagonisten-Ensemble der Premierenserie und meisterten ihre Aufgabe auch dieses Mal, wie schon damals, mit viel Engagement. Sacher strahlte auch stimmlich Souveränität und Würde aus. Kluge bildete nun zusammen mit seinen „neuen“ Kollegen Frederic Mörth (Ping) und Peter Hoare (Pong) einen Teil des bösen, unterhaltsamen Trios der Höflinge. Alle drei geben ihren Figuren eigene Persönlichkeiten und haben den jubelnden Schlussapplaus verdient. Nicholas Mogg als Mandarin bestätigte mich mit seiner Leistung in meiner Begeisterung auch für ehemalige Mitglieder und die Arbeit des Internationalen Opernstudios Hamburg. Mogg überzeugt mit seinem schönen Bariton ebenso wie mit seiner vielseitigen Spielfreude. Hier zeigt er überzeugend seine grimmige, ja brutale, Seite.
Mit vielleicht unangebrachter Wehmut dachte ich bei Tigran Martirossians Timur an seinen wunderbaren Mefisto in Gounods Faust vor zehn Jahren. Noch immer ist er ein überzeugender Darsteller, doch seinen Bass führte er, zumindest an diesem Abend, mit weniger Geschick als damals.
Eine Frage von Geschmack? Eigener Befindlichkeit?
Sergey Polyakov als Calaf, wirkte bereits in den ersten beiden Akten überfordert mit dieser anspruchsvollen Rolle und zog sich hier und da, wenn auch leisen, Unmut zu. In der Pause dann, nachträglich krank und dennoch bereit weiterzusingen, wurde er für diese Entscheidung wie auch seine weitere Leistung lauthals bejubelt.
Nur Mitgefühl für einen Künstler in einer schwierigen Situation lässt mich diese Begeisterung verstehen. Denn mir persönlich fehlte es an Kraft in der Stimme und an sauberen Höhen.
Anna Smirnova begeisterte, wie schon erwähnt. auch dieses Mal mit ihre Darstellung als kaltherzige Turandot. Doch ihre Stimmfarbe, ihre recht scharfen Höhen zogen mich einfach nicht in ihren Bann.
Ganz anders Elbenita Kajtazi , die unüberhörbar der verdiente Liebling es Publikums war. Ihre Liu ist so bezaubernd zart und zärtlich wie auch stark und entschlossen. Ihr Sopran malt wie in jeder anderen Partie, lyrisch und mühelos mit jeder Note tiefe Gefühle und füllt Musik und Partie mit (ihrem) Leben. Man glaubt ihr die tiefe Liebe und auch den selbstzerstörerischen Trotz, mit dem sie sich weigert Calafs Namen zu nennen. Wie schön, dass sie bald als Mimi in Puccinis La Bohème zuhören sein wird. Gänsehaut garantiert?

Alle Fotorechte: Dr. Ralf Wegner
Auch der Chor der Hamburgischen Staatsoper samt Alsterspatzen und das Philharmonische Staatsorchester unter der Leitung von Francesco Ivan Ciampa ließen Puccinis Musik auf eine Weise erklingen, die tief berührte, bewegte und auf faszinierende Art lautstark in den Bann zog. Und auch hier spielt Vorfreude mit, denn Ciampa wird auch bei der kommenden Aufführungsserie von Donizettis Don Pasquale am Pult stehen
Fazit: Vielleicht war es einfach nicht mein Tag. Ich war nicht bereit, mich ganz und gar von allem und allen begeistern zu lassen. Warum ich das erwähne? Um vielleicht von „hinten in den Bauch gestochen“ zu sagen, dass wir, das Publikum, die Schwächen, die wir uns erlauben, auch den Künstlern auf der Bühne zugestehen sollten.
Obwohl… Nein ich denke dieses Mal bin ich es selbst, für die ich Verständnis erbitte, denn ich konnte einfach nicht guten Gewissens bei jedem Darsteller in den allgemeinen Jubel einstimmen. Der mich aber dennoch freute.
Birgit Kleinfeld, Vorstellungsbesuch 24.11. 2022
Links:
https://www.staatsoper-hamburg.de/
http://www.francescoivanciampa.it/en/
https://elbenitakajtazi.com/
https://www.annasmirnova.me/
https://www.martirossian.com/
https://imgartists.com/roster/sergey-polyakov/
https://www.fredericmoerth.com/
https://www.nicholasmogg.com/
Ausführlichere Besprechung der Inszenierung hier:
Oliver Groth 26. November 2022
Polyakov war auch bei der Aufführung die wir am 6. November besucht haben, sowohl als Darsteller, als auch als Sänger der Schwachpunkt eines ansonsten begeisternden Abends. Smirnovas schneidende, kalte Stimme passte perfekt zu ihrer Rolle. Elbenita Kajtazi war als Liu das perfekte Gegenstück hierzu. In Erinnerung wird mir aber die Wucht des Chores und Orchesters bleiben, die mich an dem Abend restlos begeistert haben.
operngestalten 26. November 2022 — Autor der Seiten
Das mit dem Chor und dem Orchester, hast du cool ausgedrückt!!! Mir fehlten die richtigen Worte!! 😉 Danke für deinen Kommentar!!!