Sie ist eine vielbeschäftigte, vielseitige Frau: Die Sopranistin Olga Peretyatko. Am 9.11. gab sie hier an der Staatsoper Hamburg ihr Rollendebüt als Marguerite in Charles Gounods Faust, zwischendurch unterstützte sie in einem Workshop die jungen Sänger*innen des Internationalen Opernstudios Hamburg (IOSHH), an dem sie vor einigen Jahren selbst Mitglied und Lernende war.
Am 23. 11. gab sie charmant, humorvoll und mit viel Empathie für die jungen Kollegen einen Meisterkurs im Körber Forum. Einen Tag zuvor brillierte sie zusammen mit dem Pianisten Prof. Semjon Skigin im Kleinen Saal der Elbphilhamonie Hamburg mit dem Lied-Programm Songs for Maya. Denn, – ach ja- Mutter ist sie auch und die Songs für Maya, ihre Tochter, sind Wiegenlieder aus aller Welt.

Alle Fotorechte: Anastasia Radion
(Elbphilharmonie Hamburg)
Welche Mutter will nicht Frieden und Glück für ihr Kind?
Dass Olga Peretyatko und ihren Pianisten Prof. Semjon Skigin nicht nur ein professionelles sondern auch ein freundschaftliches Verhältnis verbindet, war den gesamten Abend spür- und vor allem hörbar. Da arbeiteten zwei zusammen, die sich lange kennen und die sich vertrauen.
Die Idee zu einem Programm mit Liedern, die Liebe und Ruhe vermitteln, auch ohne im klassische Sinne ein Wiegenlied zu sein, reifte schon lange in den beiden. Doch erst als die Pandemiebeschränkungen gelockert wurden, die Theater aber noch geschlossen blieben, war Zeit für die Umsetzung. So erzählte es Peretyatko, die augenzwinkernd auch ihre damalige Schwangerschaft erwähnte: „Da wurde dieses Projekt noch wichtiger. Gab es es da ja nun jemanden besonderen. Und für diesen Jemand -Maya- machte ich dieses Programm dann. Denn jedes Wiegenlied ist wie ein Gebet um Geborgenheit.“

Alle Fotorechte: Sophie Wolter
(Mutter)liebe ist vielseitig, sie musikalisch zu zeigen auch
Die Liebe und Sorgfalt mit der dieses Liedprogramm zusammengestellt wurde, spiegelt sich in den charmant informativen Anmoderationen der beiden Künstler, wie auch der Darbietung jeden einzelnen Liedes wider. Peretyatko wie auch Skigin gelingt es mühelos durch Klang und Text zu berühren. Mal heiter melodisch und wohlbekannt mit Schlafe mein Prinzchen von J.F.A. Fleischmann, mal überraschend und äußerst kunstvoll mit Dors mon enfant aus der Feder von Richard Wagner. Auch die „russische Seele“ kommt mit Liedern von Tschaikowski, Rimski Korsakow, Rachmaninov nicht zu kurz und vermittelt ein tiefes, undefinierbares Gefühl von Wehmut, Melancholie. Aber die beiden Künstler, einst Lehrer und Schülerin, entführen uns auch in den Süden, unter anderem mit Stücken von Puccini, Gounod und Tosti. Besonders beeindruckend jedoch Zhen Juan Chuns Wiegenlied aus dem Nordosten Chinas, George Gershwins Summertime und die als erste Zugabe gegebene Glöckchenarie aus Leo Delibes Oper Lakmé. Mit diesem sehr anspruchsvollen Stück bewarb sich Olga Peretyatko, damals ebenfalls von Skigin begleitet, um einen Studienplatz in Berlin.

Fotorechte: Victor Shmatov
Elbphilharmonie Hamburg
Mit großer Stimme und zarten Gesten
Doch nicht nur die drei von mir hervorgehobenen oder nur erwähnten Stücke wiesen Olga Peretyatko ein Mal mehr als Ausnahmekünstlerin aus, sondern auch all die unerwähnt gelassenen. Sie weiß ihre Stimme zu benutzen, zu modelieren und die Aussage von Text und Musik mit zarten unaufdringlichen Gesten zu untermalen. Sie weiß nicht nur gesangliche, sondern auch kleine, bedeutungsvolle Ausdrucks-Akzente zu setzen. Wie zum Beispiel einen tiefen Seufzer in „Schlafe mein Prinzchen.“ Ihre Koloraturen sprudeln leicht wie eh und je und die Stimme hat zusätzlich an Fülle und Wandlungsfähigkeit gewonnen, und so hat „Summertime“ wirklich etwas fast jazziges, wo die Glöckchenarie vor sicherer Leichtigkeit nur so sprüht.
Ein wundervoller Abend, der dazu verleitet, die gleichnamige CD Songs for Maya zumindest zu streamen. Sei es um die Stimmung ein wenig zurückzuholen oder sich an Lullaby Mantra zu erfreuen, einem Stück, dass -meiner Meinung nach- auch gut zu diesem Abend gepasst hätte, dessen Motto ja wirklich Liebe, Ruhe und Frieden (nicht nur) für die Kinder dieser Welt war.
Aber nein, es war auch so ein wunderbar aussagekräftiger, berührend schöner und umjubelter Abend, der viel zu schnell vorüber war.
Birgit Kleinfeld
Links:
https://www.elbphilharmonie.de/de/
https://www.olgaperetyatko.com/
https://www.askonasholt.com/artists/semion-skigin/
Programmheft:
https://d3c80vss50ue25.cloudfront.net/media/filer_public/c6/be/c6be7756-44db-4856-ae2e-92ef720bded2/programmheft_2022-11-22_peretyatko_skigin_rz3_web.pdf