Eine CD ist immer nur ein recht karger Ersatz für ein Live-Konzert, fehlen doch die Eindrücke, die ein solches Erlebnis besonders machen: Ein Gläschen Sekt vorweg trinken, Blicke durch das Foyer oder hinaus in die dunkle, vor Leben pulsierende Stadt streifen lassen, all dem Flüstern, Lachen und dem Klirren von Gläsern lauschen, verschiedene Düfte mit Genuss oder Abneigung einatmen und nicht zuletzt die Spannung und Vorfreude, die ein Konzert oder Theaterbesuch mit sich bringt… All das fällt zumindest in der Vielfältigkeit weg. Ebenso geht auch die Möglichkeit verloren, sich den ausführenden Künstlern durch Applaus mitzuteilen. Und doch … und doch haben CDs auch einen unleugbaren Vorteil, denn anders als Konzerte sind sie etwas Bleibendes. Sind nicht nur ein schöner oder, wie das Live-Konzert zu dieser CD, ein „verzaubernder“ Abend.

So ist die CD Regula Mühlemann & CHAARTS Chamber Artists: Fairy Tales für jene, die eines der Konzerte live erleben durften, eine schöne Erinnerung, auch wenn die Reihenfolge und damit die Dynamik eine andere ist. Doch auch jene, die nach einem neuen digitalen Musikerlebnis suchen, sind hier richtig.
Zwar kommt der CD- Hörer nur in den Genuss der drei stimmungsvoll dargebotenen Stücke 2. Peer Gynt Suite von Edvard Grieg und nicht auch der 1.. Aber zusammen mit dem quirlig virtuosen Flöten-Solo The Pink Fairy aus Adolphe Adams La filleule des fées, legte das Kammerensemble CHAARTS einen stimmigen Beweis seines Könnens ab und empfiehlt sich für den Erwerb von weiteren CDs.

Unter anderem mit Song to the moon aus Antonin Dvoraks Rusalka, Ah, Douce enfant, der Arie der Guten Fee aus Jules Massenets Cendrillion (Aschenputtel), der „Geister/Feenszene“: Ninfi! Elfi! Silfi! aus Giuseppe Verdis Falstaff und auch mit Claudio Monteverdis Lamento della Ninfa: Amor, amor bedienen CHAARTS und Regula Mühlemann das populäre Spektrum von Komponisten und Werken, die sich auf die eine oder andere Weise mit Wesen der Feen-, der Anderswelt beschäftigen. Nicht zu vergessen die beiden Arien aus Jacques Offenbachs Oper Die Rheinnixen: Alles hüllt sich in Dunkel und Komm zu uns und sing und tanze. Letzteres ist bekannter als die Bacarole aus Offenbachs Hoffmanns Erzählungen.
Und auch Regula Mühlemann widmet sich der Musik von Edvard Grieg: Mehr noch als Solveigs bekanntes, auf norwegisch gesungenes Lied, dem sich ihr Cradle Song (beides Peer Gynt op.23) anschließt, bewegt Griegs A Swan ( Six Songs, op, 25/2). Die Zwiesprache zwischen Flöte und Sängerin, hat etwas sehr, etwas mich besonders Berührendes.

Doch alle Stücke zeugen auch beim „nur“ Hören von dem Charme, der Vielseitigkeit und vor allem hohen gesanglichen Niveau der schweizer Sopranistin. Die Koloraturen sprudeln und auch die tragend-tragischen Stücke überzeugen auf ganzer Linie.
Das gilt auch für Felix Mendelssohn Bartholdys mir bis dato unbekanntes Lied Neue Liebe, bei dem CHAARTS wie auch Mühlemann eine kecke und doch etwas unheimlich skurrile Stimmung verbreiten, die irgendwie das innere, sich nach anheimelnden „Grusel“ sehnende Kind anspricht.
Doch vielleicht sind es sie beiden so unterschiedlichen Barockstücke von Henry Purcell aus seiner Oper The Fairy Queen Oh let me weep, ever ever weep und Turn then thine eyes, die Regula Mühlemann endgültig als eine wirklich großartige Liedsängerin ausweisen. Oder der Block mit den Arien aus Benjamin Brittens A Midummer Night’s Dream?
Ich vermag es nicht zu sagen, zumal jedes erneute Hören andere, vorher nicht erkannte, Facetten offenbart.
Ein an einen Kanon erinnerndes Duett gesungen von
Regula Mühlemann & Regula Mühlemann
Fazit: Ein Album, das Freude macht. Auf dem Sofa liegend genossen, bei dem Licht duftender Kerzen, Häppchen, Wein und vielleicht sogar in der Anwesenheit einer lieben Person. Oder auch einfach so, auf weitere Reize für die Sinne, außer die Ohren, verzichtend, allein Musik und Stimme lauschend.
Birgit Kleinfeld, 4.11. 2022