Circa ein Mal pro Monat, dieses Mal mit einer Winterpause zwischen Dezember und März, läutet die Staatsoper Hamburg das Wochenende mit dem Aufführungsformat After Work ein, bei dem eine Stunde lang „Kleinodien“ und Besonderheiten präsentiert werden. Wie unter anderem ein Liederabend mit Harfenistin Sophia Whitson und Sopranistin Gabriele Rossmanith zu Beginn dieses Jahres.

Fotoreche G. Rossmanith
Am 30.09.22 nun saß Gabriele Rossmanith selbst, als Leiterin des Internationalen Opernstudios Hamburg (IOSHH), im Publikum, während es ihren neuesten Schützlingen vom ersten Ton und ersten siegessicheren Blick ins Publikum an gelang, sich erfolgreich von der besten Seite zu zeigen.
Hierbei meine ich mit „siegessicher“ nicht ein übersteigertes Selbstvertrauen der jungen Künstler, sondern das Verhalten des Protagonisten der ersten Arie: Escamillos Torerolied, bei dem der junge polnische Bariton Mateusz Lugowski beweist, dass er zu jenen gehört, die ad hoc in die Rolle ihrer Arie schlüpfen können, auch dadurch, dass er mit dem Publikum flirtet. Beides macht einen Konzertvortrag immer besonders lebendig und gleicht einem krönenden Sahnehäubchen, mit dem aber auch seine fünf Kolleg*innen nicht geizen.
Lugowski, auch Dirigent und Komponist, beweist im Torerolied und bei der Arie des Malatesta aus Donizettis Don Pasquale auch durch seine volle, weich timbrierte Stimme, wie sehr ihm humorvolle Modulation liegt. Doch im berühmten Perlenfischer Duett von Bizet zeigt er seine dramatisch romantische Seite, die Vielseitigkeit seines Instrumentes. Lugowski und sein französischer Kollege, der Tenor Florian Panzieri, sorgten bei diesem Stück – Au fond du temple saint – für einen kleinen Gänsehautmoment, schafften mühelos durch Spiel und Gesang die spannungsreiche Atmosphäre zwischen tiefer Männerfreundschaft und Sehnsucht nach derselben, unerreichbaren Frau.
Panzieris natürliche Spielweise fiel mir schon in Massenets Manon auf, wo er als Sergeant auftrat, einer Rolle, bei der die Stimme eher weniger gefordert wird. Nun zeigte er erst mit der Arie des Belmonte aus Mozarts Die Entführung aus dem Serail , aber noch mehr und überzeugender mit der Szene Nemorino/Dulcamaro, dass auch ein wunderbarer Sänger in ihm steckt. Sein Tenor hat schon jetzt diese Klangmischung aus Lyrik, Schmelz und leichtem Anklang von Metall. Halt das, was einen Tenor so besonders und beliebt macht. Ich glaube er gehört zu jenen, von denen noch viel zu erwarten ist.

Fotorechte Jörg Kipping
Möge (nicht nur) er sich hier während seiner Zeit im IOSHH noch oft beweisen, aber trotzdem die Zeit bekommen, sich entwickeln zu dürfen. Zu oft werden in unserer schnelllebigen Zeit leider besonders die hohen Stimmlagen, aus welchen Gründen auch immer, zu schnell nicht ge- aber überfordert. So können sie ihrem Besitzer wie auch dem Publikum nicht all das geben was ihnen innewohnt.
Panzieris Duettpartner aus der Szene aus Donizettis Der Liebestrank, der südkoreanische Bass Han Kim, stellte ebenfalls unter Beweis, dass ihm der komödiantische Belcanto-Gesang ebenso im Blut, oder besser in der Stimme, liegt wie der ernste. Denn seine Arie Cinto di Fiori aus Bellinis Oper die Puritaner bot er mit viel Feingefühl dar. Als Dulcamaro im Duett mit Nemorino (Panzieri) hingegen hatte ihm der Schalk aus den Augen geblitzt und seine Freude an dieser Szene war unüberhörbar.
Eines gab es bei diesem wirklich gut gestalteten Programm nicht: Ein Sopran/Tenor-Liebesduett., dafür aber das Bariton/Sopran Duett: La ci darem la mano aus Mozarts Don Giovanni. Die Sopranistin Yeonjoo –Katharina Jang, ebenfalls aus Süd Korea, und der Schotte Liam James Karai hatten sichtlich Freude an dem Geplänkel zwischen Feudalherren und Bauernmädchen. Jang gab dabei die entzückende, nicht ganz so unschuldige Unschuld vom Lande, die es am Ende kaum erwarten kann und ihren Giovanni von der Bühne zieht. Karai war von Scheitel bis zur Sohle der selbstsichere -fast selbstherrliche – Edelmann, der Giovanni nach außen hin stets ist. Diese Eleganz spiegelte sich auch in seinem volltönenden Bassbariton wieder, nicht nur in diesem Duett, sondern auch in der Arie des Figaros aus Mozarts Le Nozze de Figaro. Hier machte Karai die Wut über die vermeidliche Untreue seiner Susanna und die gleichzeitige Unsicherheit gut hör- und sichtbar.
Yeonjoo-Katharina Jang überzeugt als Zerlina, wie auch als Norina mit der Arie Quel guardo il cavaliere aus Don Pasquale, wenn sie uns mit glockenreinem Sopran und kecker Freude in Gesang und Spiel deren Lebensauffassung nahe bringt. Ihr Briefduett aus Le Nozze de Figaro, das sie mit ihrer amerikanischen Kollegin Olivia Boen sang, machte dann neugierig auf ihr Debüt als Papagena, das am 14.12. ansteht.

Fotoreche G. Rossmanith
Olivia Boen schließlich als sechste im Bunde dieser vielversprechenden jungen Sänger, harmonierte wunderbar als Gräfin mit Susanna/Jang. Mit Musettas Arie aus Puccinis La Boehme betörte Boen mit viel Charme, einer Prise Sexappeal und schönen Tönen in allen Lagen – nicht nur Marcello (Lugowski) und Alcindoro (Karai) sondern auch das Publikum. Danach eilte sie hinüber ins große Haus, wo sie momentan als Anna in Verdis Nabucco zu hören ist.
Der Dank gilt aber natürlich auch Pianist Robert Jacob der alle mit viel Gefühl begeitete.
Fazit: Opernstudios sind wirklich ein schönes Konzept um jungen Sängern, die unüberhörbar gut ausgebildet sind, durch Meisterkurse, dem Weiterreichen und Austausch von Erfahrung und nicht zuletzt durch solche kleinen aber feinen Auftritte den Eintritt in die schöne , aber so hart umkämpfte Welt der großen Bühnen zu erleichtern.
Und die Zuschauer*innen? Die zeigten durch viel Applaus auch nach der Zugabe, Im Feuerstrom der Reben aus Die Fledermaus, Begeisterung, Begeisterung auch auf mehr.
Birgit Kleinfeld, Vorstellungsbesuch 30.0922
https://www.staatsoper-hamburg.de/
https://www.gabrielerossmanith.de/
https://www.opernstiftung-hamburg.de/opernstudio
https://mateuszlugowskibaritone.com/en/strona-glowna- english/https://www.florianpanzieri.co.uk/
https://oliviaboen.com/
https://liamkarai.com/
https://www.operabase.com/artists/kim-yo-han-68357/de
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