Opern- und Leben(s)gestalten

Es gibt so vieles, neben Oper, mit dem es sich lohnt das Leben zu gestalten! Drum füllen sich nach und nach die Menü- & Unterpunkte! Viel Spaß!

Staatsoper Hamburg – Madama Butterfly: die Stärken einer zerbrechlichen Frau

Neben der Neuproduktion seiner Oper Turandot steht auch Giacomo Puccinis Madama Butterfly auf dem Spielplan der Italienischen Opernwochen der Staatsoper Hamburg. Die albanische Sopranistin Ermonela Yaho interpretiert mit viel Einfühlungsvermögen, Authentizität und noch mehr Sangeskunst die junge  Cio-Cio-San, die die Hochzeit mit dem amerikanischen Offizier  B.F. Pinkerton, dem Pavel Černoch eine gewisse Nonchalance verleiht, im Gegensatz zu ihm für bare Münze nimmt.

Ermonela Yaho
Foto: Fadi Barisha

Puccinis starke Asiatinnen

Giacomo Puccini steht von jeher für Melodien, die tiefe Emotionen erwecken und Geschichten um  starke Frauen. Frauen, die ihre Stärke im Leid erst wirklich entwickeln, auf immer andere Art. Um bei Puccinis asiatischen Heroinen  zu bleiben: Wo Turandot sich durch Grausamkeit und fast unlösbare Rätsel Ehre, Würde und Unabhängigkeit erhalten will, wählt Butterfly den rituellen Freitod. Die chinesische Prinzessin will der Liebe auf  immer entsagen um nicht verletzt oder zu dem Besitz eines Mannes zu werden.  Die Japanerin Butterfly wird unter dem Deckmantel einer Heirat samt Haus an den Amerikaner verkauft. Doch für sie ist es wahrhaftige Liebe und die Chance auf ein Leben in einem anderen Land. Sie erträgt es, von der Familie verstoßen zu werden und  wartet auf die Rückkehr des Liebsten und ist sicher bei Un bel di vedremo …, dass er wiederkehren wird. Doch als Butterfly Mutter ist und er dann  wirklich wiederkommt, gibt es eine andere Mrs. Pinkerton. Die verzweifelte Butterfly lässt sich überreden, Pinkerton persönlich den gemeinsamen Sohn zu übergeben, damit  zumindest der eine glückliche Zukunft in den USA hat. Doch dann entscheidet sie sich für einen rituellen Selbstmord, getreu dem Samurai-Spruch: Ehrenvoll sterbe, wer nicht länger mehr leben kann in Ehren.

Alle Fotos: Bernd Uhlig (2012)

Regisseur Vincent Boussard, Bühnenbildner Vincent Lemaire und Kostümbildner Christian Lacroix kreierten im Jahr 2012 eine Atmosphäre, die, wie auch Puccinis Musik, perfekt die Vermischung der westlichen wie der traditionell östlichen Welt widerspiegelt. So ist das Bühnenbild nur von einer fragil wirkenden, helixartigen Wendeltreppe dominiert, die sich von der Oberbühne zur Unterbühne zieht. Die eigentlichen Bühnenbilder sind zarte Spiegelungen von Mohnblüten, die Kostüme vereinigen  teilweise östliche Schnitte mit westlichen Mustern und Accessoires.

Cio Cio Sans Traumwelt, dem Leid entsprungen

Die Charaktere und ihre Gefühle stehen im Mittelpunkt. Cio-Cio-San passt sich  in Kleidung und Einrichtung dem westlichen Stil an. Sie trägt Jeans und kauert immer wieder auf einem schweren Ledersessel. Entgegen des Textes, und doch nachvollziehbar, steigert sie sich so sehr in die Liebe zu Pinkerton und den Wunschnach einem neuen Leben, dass sie sich das gemeinsame Kind nur einbildet, aber felsenfest von dessen Existenz überzeugt ist. Ermonela Yaho ist meiner Meinung nach eine ideale Besetzung für die Rolle der kleinen Geisha, die so voll ist von Liebe und dem Wunsch, diese Liebe in einer fremden Kultur zu leben. Ihre Gesten vor der Hochzeitszeremonie erinnerten wirklich in ihrer Perfektion und Bedachtheit an Künstlerinnen des Kabuki Theaters. Die Hingabe mit der sie ihrem Gatten von der eigenen Zerbrechlichkeit in der Hochzeitsnacht berichtete, ihre bis zum Ende unverfälschte Leidenschaft, bei der Yaho jedoch nie die Herkunft ihrer Partie vergaß, sorgte für tiefes Berührtsein. Diese Gefühle verstärkten sich bis hin zur Gänsehaut durch ihre wunderschöne Stimme, deren großen Umfang und Yahos Fähigkeit, sie mühelos zu modellieren. Piani waren nicht nur Piani, sondern fast Seufzer und das  Va/Geh!, das sie Suzuki entgegenschleuderte, kam ganz tief aus dem Bauch. Was für eine Sängerdarstellerin!

Alle Fotos: Bernd Uhlig (2012)

Verlangen, zu groß für rechtschaffende Wahrnung

Pinkerton erscheint im ersten Akt  in schnieker weißer Uniform, trägt westliche Überlegenheit zur Schau, um dann im dritten Akt einen ein wenig verkommenen Eindruck zu machen. Pavel Černoch war, wie es zu Inszenierung und Rolle passt, anfangs ein überheblicher, nur auf seine Libido fixierter und doch charmanter Pinkerton, der stimmlich an diesem Abend nicht zu 100 Prozent überzeugte. Denn hier und da fehlte seiner Stimme ein wenig Schmelz und Strahlkraft. Umso intensiver war jedoch seine Darstellung von Pinkertons Zerrissenheit und Verzweiflung im finalen Akt der Oper.

Sharpless, der Konsul und damit Kenner beider Kulturen, tritt hier  als  besonders zurückhaltender, durch seine Kleidung unauffällig wirkender Diplomat auf. Franco Vassallo verlieh ihm auf unspektakuläre Art Format. Pinkerton gegenüber war er von  fast väterlicher Strenge und hegte gleichzeitig  für Butterfly bedauerndes Verständnis, in das sich wohlmeinende Zärtlichkeit mischt. Doch berührte er nicht  allein durch seine Ausstrahlung sondern in erster Linie dadurch, dass er all dies mit seinem wunderbar geführten und in allen Lagen ausdrucksstarken Bariton  zum Klingen brachte. Dabei gelangen ihm die tiefen Töne eben  so wie jene, die fast in tenorale Höhen reichen.

Alle Fotos: Bernd Uhlig (2012)

Die eine der Freundin treu, der andere allein dem Geld

Auch Suzuki, Hausmädchen und Butterflys Freundin, schenken Boussard und Team ihre besondere Aufmerksamkeit, machen deren Haltung, die stets zwischen Hingabe an die eigene Kultur aber auch  ihr Pflichtgefühl  und ihre Zuneigung zu Butterfly schwankt, durch viele Kleinigkeiten deutlich. Sei es dadurch, dass sie sich nicht wie Butterfly ganz und gar dem westlichen Kleidungsstil anpasst, sondern nur Jeans zu einem japanischen Oberteil trägt. Auch behandelt sie die Puppe, die Butterfly für ihren Sohn hält mit Nachlässigkeit, steht der Freundin aber dennoch in allen Belangen bei, empfindet deren Leid mit. Zumindest machte Mezzosopranistin Kristina Stanek diesen Eindruck durch ihre authentische Darstellung, deren Intensität sich auch in ihrer Stimme zeigte

Goro, der Heiratsvermittler ist in dieser Inszenierung in einen japanischen Mantel über westlicher Kleidung gewandet. Tenor Peter Hoare, machte aus seiner Rolle einen herrlich widerlich verschlagenen Mann, kriecherisch und wichtigtuerisch zugleich. Und, vielleicht ein etwas verqueres Lob, auch wenn er seiner Stimme manchmal den passenden, fast unangenehmen Klang verlieh,  zeigte sich doch auch, das mehr in ihm steckt.

Alle Fotos: Bernd Uhlig (2012)

Musik, die Kulturen hörbar macht

Dass Puccini eine überzeugende Verbindung zwischen authentischen östlichen wie westlichen Klängen gelang,  zeigt sich in vielen,  deutlich hörbaren Details. Zum Beispieldurch seine Verwendung von Tamtam, japanischen Schellentrommeln und Klaviaturglockenspiel oder Röhrenglocke. Oder durch, für unsere Ohren typisch asiatisch anmutende Akkorde, die unverkennbar nahendes Unheil prophezeien, um uns schon ziemlich früh und wiederholend auf Leid und Drama vorzubereiten. Subtilität ist Puccinis Spezialität. Sie zeigt sich unter anderem in der Melodie des berühmten Summchors, die auch erklingt, wenn Sharpless Butterfly einen Brief von Pinkerton vorliest. Aber noch eindringlicher, wenn, fast zu Beginn, bei  Pinkertons  Dovunque al mondo die amerikanische Nationalhymne in den Bläsern ertönt. Immer wieder erklingen Teile von The Star sprangled Banner ebenfalls wie kleine kurze Leitmotive, die uns immer wieder daran erinnern wollen, was Butterfly wichtig ist oder auch wo die dominierende Kraft liegt.

Matteo Beltrami und das Philharmonische Staatsorchester Hamburg überzeugten auf ganzer Linie und  mit der Erwähnung kleiner Unstimmigkeiten in den Bläsern möchte ich nur die restliche Leistung umso positiver betonen. Auch der Chor der Hamburgischen Staatsoper, Kady Evanyshyn (Kate Pinkerton), Bernhard Weindorf (Yakusidé), Nicholas Mogg( Il Commissario Imperiale), Tigran Martirossian (Lo zio Bonzo) und Peter Gaillard (Il Principe Yamadori) gaben erfolgreich ihr Bestes und trugen so  zum Gelingen dieses Abends bei.

Fazit: Wieder ein Abend der Italienischen Opernwochen, zu dessen Erfolg die Sängerin der Titelfigur den Löwenanteil beitrug und der daher auch der größte Teil der Begeisterung und Standing Ovation galt. Und dennoch einer, der ein Beweis war für großartige Ensemblearbeit. Bravi tutti!

Birgit Kleinfeld, Vorstellungsbesuch 24.02.2012

Links:
https://www.staatsoper-hamburg.de/
https://www.matteobeltrami.com/
http://www.ermonelajaho.com/
http://www.kristina-stanek.de/
http://www.pavelcernoch.cz/web/
https://www.francovassallo.com/
https://www.kadyevanyshyn.com/

Weiter Beitrag

Zurück Beitrag

Antworten

© 2023 Opern- und Leben(s)gestalten

Thema von Anders Norén