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Nomen ist nicht immer Omen, oft reicht er nicht allein, da hinter kann noch viel mehr „wohnen“! Kommt! Schaut doch einfach rein!

Staatsoper Hamburg – Hänsel & Gretel: Fast 50 Jahre märchenhafte Verzauberung

Engelbert Humperdincks Oper Hänsel und Gretel gehört zur Vorweihnachtszeit wie Plätzchen backen, Tannenduft und – ja und Last Christmas. So natürlich auch an der Staatsoper Hamburg. Und das seit fast einem halben Jahrhundert in der traditionell märchenhaften Inszenierung von Peter Beauvais, die ebenso wie Hellen Kwon als Knusperhexe, Katharina Konradi  und Jana Kurucová in den Titelrollen und auch  ihre Kollegen das Publikum völlig begeisterte.

Märchenhaftes Flashback in die Welt der Gebrüder Grimm

Wenn sich der Vorhang nach der Ouvertüre hebt, befinden wir uns durch Jan Schlubachs Bühnenbild und die Köstume von Barbara Bilabel / Susanne Raschig mitten in  der Hütte von Besenbinder Peter und seiner Familie. Die Ouvertüre   entführt mit ihren bezaubernden Klängen bereits aus der Realität.  Und zwar durch Variationen des berühmten Abendsegens/Wenn die Not am höchsten steht, aber auch Anklängen an Bilder heraufbeschwörenden Melodien /Sprachrhythmen von Knusper, knusperknäuschen …,  und Der Wind, der Wind… .

Alle Fotos Hans Jörg Michel
Frühere Aufführungsserie

Beauvais und sein Team  dann schicken Alt und Jung endgültig in die Welt der Brüder Grimm: traditionell und auf schöne Weise kitschig. Wo moderne Märchen wie Harry Potter und das verwunschene Kind im Mehr!Theater  durch fast magisch anmutende Technik hochgradig faszinieren, wurde damals auf Handarbeit gesetzt, üppige Ausstattung und ebenso bemalte Bühnenprospekte. Die Aussage einer solchen Produktion? Das Sicht- und Hörbarmachen der Worte der Brüder Grimm, wie sie schon immer Kinder  verzauberten, ganz ohne gesellschaftskritische Hintergründe  oder/und, wenn auch wirklich wunderbaren, Technik-Schnickschnack!
Wie schön, dass die eine  wie  die andere Methode funktioniert und so die Vielseitigkeit und auch,  im Falle von Hänsel und Gretel an der Staatsoper Hamburg, die Langlebigkeit von gut gemachtem Theater zeigt.

Alle Fotos Hans Jörg Michel
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Ein kleines Minus, durch das das Positive noch mehr besticht

Aber Theater wie Oper leben natürlich in erster Linie von den Akteuren auf der Bühne und im Orchestergraben.  Am Pult des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg stand Volker Krafft, dem es zwar gelang Spannungsbögen und Schönheit des Werkes auszuarbeiten und zu vermitteln, der es aber, nicht nur beim Forte, mit der Lautstärke seines  Orchesters hier und da so gut meinte, dass die  Stimmen der Sänger überdeckt wurden. Doch gehört dieser Kritikpunkt zu jenen, die ich gerne   als Meckern auf hohem Niveau bezeichne, besonders bei einer Vorstellung wie dieser. Warum ich es denn dann überhaupt erwähne? Weil ich der Meinung bin, dass ein wenig Kritik äußern, dem vielen Guten noch mehr Gewicht verleiht.

Kady Evaqnyshyn und Tahnee Niboro als Sand- bzw. Taumännchen machten quirlig, stimmschön und charmant viel aus kleinen Partien. Brigitte Hahn war eine gestrenge, wie auch verzweifelt liebende Mutter Gertrud. Die  Alsterspatzen  überzeugten, mit Mund und Nasenschutz am Singen gehindert, spielfreudig auf der Bühne als erlöste Kinder aus verschiedensten Zeitepochen, während einige ihrer Chorkollegen, unter der Leitung des engagierten Luiz de Godoy,  ihnen aus einer 1.Rang Loge heraus die Stimmen verliehen.

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Der Hauptanteil  am Gelingen des Abends und der wirklich wunderschönen Vorstellung liegt allerdings  bei: Chao Deng (Vater Peter), Hellen Kwon (Hexe), Jana Kurucová (Hänsel) und Katharina Konradi (Gretel).

Der chinesische Bass-Bariton Chao Deng stand nicht nur schon bei der Nachmittagsvorstellung, sondern in verschiedenen Rollen so gut wie täglich, auf der Bühne. Dennoch zeigte er weder  darstellerisch oder stimmlich etwaige Ermüdungserscheinungen. Er gehört zu den  zahlreichen vielseitigen Ensemblemitgliedern dieses Hauses. Jeder der ihm anvertrauten Partien verleiht er nicht  nur spielerisch den passenden Charakter, sondern nimmt  stets auch durch seine vielfarbige, wandelbare Stimme für sich ein. So auch als besorgter liebevoller Peter, wo er von humoriger Trunkenheit sofort auf Besorgnis umschalten konnte  und später auf unverhohlene Wiedersehensfreude. All dies vermittelt er durch Mimik, Gestik, doch vor allem stimmliche Modulation.

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Wenn die Königin der Nacht zu Hexe wird und Frauen als Kinder überzeugen

Auch  sie spielt freudig und dadurch Freude vermittelnd mit ihrer Stimme: Hellen Kwon als Knusperhexe Rosina Leckermaul. Hier und da klingen noch die Töne an, mit denen sie lange Jahre in Rollen wieder Königin der Nacht aus Wolfgang Amadeus Mozarts Die Zauberflöte begeisterte. Und auch die hexenhaften komisch-gruseligen Töne beherrscht sie hervorragend. Ihr Spiel lässt Kinder lachen und Erwachsene  sich wieder  für einen kleinen Moment ein wenig wie unbeschwerte Kinder fühlen. Einfach herrlich!

Jana Kurucová und Katharina Konradi bewältigen die Aufgabe,  ungekünstelt als Kinder zu überzeugen, ohne jegliche Schwierigkeiten und auf wirklich  herzerfrischende Art und Weise.
Kurucovás Hänsel ist wirklich ein Lausbub, der seine Schwester ärgert, beim Knusperhaus vorschiebt, sie aber auch  schützt.  Der Mezzosopran der jungen Slowakin  tönt warm und sicher geführt in allen Lagen. Wie schön, dass  sie in der Neuproduktion von Johann StaußDie Fledermaus als Orlovski in einer weiteren Hosenrolle zu sehen sein wird und 2022 dann als Maddalena (Verdi, Rigoletto) und als Donna Elvira (Mozart, Don Giovanni) ganz und gar Frau sein darf.

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Katharina Konradi kann auf eine große Anzahl an Preisen auch im Bereich Liedgesang zurückblicken und bezaubert als Gretel sowohl durch Natürlichkeit wie auch durch  ihren glockenhellen und -klaren Sopran. Die Art wie sie als Gretel über die Bühne tanzt oder Eia popeia, was raschelt im Stroh oder Brüderlein, komm tanz mit mir  geradezu trällert oder auch die stimmlich noch anspruchsvolleren Momente intoniert, ist von einer wunderbaren Leichtigkeit, die staunend und anerkennend in sich hinein lächeln lässt. Und Gedanken wie: Möge sie noch lange  und oft hier an der Staatsoper ihr großes Können zeigen, beherrschen mich auch jetzt beim Schreiben noch.

Fazit: Ja, es ist mir bewusst, mit ähnlichen Worten schließe ich viele meiner Artikel, doch ich freue mich wirklich, nicht nur  Konradi und Kurucová, sondern auch Dao Cheng  immer wieder auf der Bühne hier erleben zu dürfen. Denn sie, wie auch die anderen haben  den Jubel, der erklang, verdient  und wie das Publikum ihre Leistung, sollten auch sie unsere Anerkennung noch oft genießen dürfen

Birgit Kleinfeld, (Vorstellungsbesuch 12.12.21, 19:00Uhr)

Links:
https://www.staatsoper-hamburg.de/
https://www.janakurucova.de/
https://www.katharina-konradi.com/
https://www.kadyevanyshyn.com/
http://www.brigittehahn.com/home/
https://www.operabase.com/artists/chao-deng-24680/de
https://www.operabase.com/artists/hellen-kwon-6975/de

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