Seit dem 29.09. ist steht sie endlich wieder auf dem Spielplan der Staatsoper Hamburg Giacomo Puccinis Oper Tosca. In dieser Serie erzählen uns die chinesische Sopranistin Hui He, der tschechische Tenor Pavel Černoch und der polnische Bariton Andrzej Dobber die Liebesgeschichte der berühmten Sängerin und des Malers mit revolutionären Ambitionen.
Die Bretter, die ihr die Welt bedeuten
Besonders diese Liebe, aber auch Cavaradossis Freundschaft zu Angelotti, einem geflüchteten Politiker und Konsul der ehemaligen Republik Rom sind ihm ein Dorn im Auge. Angelotti und auch Cavaradossi will er unbedingt festsetzen und Tosca besitzen. Ersteres gelingt ihm mit Hilfe von brutalen Winkelzügen und auch Toscas Eifersucht, die sie dazu bringt das Versteck Angelottis zu verraten und so Cavaradossi als Verräter zu entlarven. Scarpias Plan Tosca zu erpressen, indem er ihr verspricht Cavaradossi nur zum Schein erschießen zu lassen, geht jedoch nicht auf. Die temperametvolle Sängerin ersticht ihn, nur um wenige Zeit später selbst vom Dach der Engelsburg, dem Hinrichtungsplatz, in den Tod zu springen. Dabei ruft sie: „Scarpia uns richte Gott!“ Denn er hat sie betrogen, und Toscas Geliebter findet den Tod durch Erschießen, anstatt wie versprochen mit ihr fliehen zu können.

Regisseur Robert Carsen und sein Bühnen- und Kostümbildner Anthony Ward siedeln die Handlung auf einer Bühne an, der optisch ausgedünnte Chor besteht aus einigen Ballettmädchen und Platzanweisern und anderen Personen, die zum Theater gehören. Die Madonna, die beim Te Deum im ersten Akt im Bühnenhintergrund erscheint ist keine Statue sondern eine lebendige Person. (Tosca?)
Toscas Kostüme erinnern an eine Primadonna der 1950er Jahre. Die Callas? Und am Ende stürzt sie sich in einen Orchestergraben im Bühnenhintergrund. Zuvor fiel mir diese Symbolträchtigkeit nie auf. Heute schien es mir – folgerichtig? – denn sie hat ihren Lebensinhalt verloren. Und nein, damit meine ich nicht in erster Linie Cavaradossi, zumindest nicht bei der Tosca an diesem Abend, Hui Hé, und in gewisser Weise auch nicht in dieser Inszenierung. Denn hier steht Tosca wirklich als die Diva, die von allen bewundert wird und deren Eifersucht auf die Frau, deren Bild Cavaradossi gerade malt, tiefer geht. Glaubt sie doch bei diesem einen Menschen nicht die einzige zu sein, die er „vergöttert“.
Sicher sind aber noch ganz andere Gedanken möglich, denn diese gut sechszehn Jahre alte Inszenierung regt unauffällig dazu an. Zeigt einen Weg, aber gibt ihn nicht vor.

Vittoria! Vittoria?
Bereits vor einigen Jahren und an anderer Stelle benutzte ich diese Überschrift schon ein Mal. Allerdings mit umgekehrt benutzten Satzzeichen. Es sind Cavaradossis Worte, die er vor seiner endgültigen Verhaftung ausstößt. Es sind nur wenige Takte und doch ein größerer Prüfstein als Recondita armonia und e lucevan le stelle. Denn es verlangt kraftvoll dargebrachte sichere und leidenschaftlich gesungene Höhen. Es ist nicht so, dass Pavol Černoch völlig daran scheiterte, aber besonders jene Besucher, denen der Gesang das Wichtigste an einer Oper ist werde nicht nur an dieser Stelle mit seiner Leistung unzufrieden gewesen sein. Tosca Darstellerin Hui Hé hingegen ließ die Herzen derer, die ganz fest an den Spruch prima la musica glauben, höher schlagen
Und ja, Pavol Černoch empfahl sich mit Recondita armina, der Arie, mit der Cavaradossi quasi seinen Auftritt beginnt, nicht unbedingt als Idealbesetzung für diese, vom Komponisten, mit vielen wunderschönen Tönen versehende Partie. Doch, und darum das „?“ hinter dem zweiten Vittoria, andererseits hatte er zumindest in der Mittellage, das was für einen Tenor im romantischen Bereich geforderten Schmelz und die Fähigkeit in wenigen Takten Emotionen zu zeigen. Auch die große Strahlraft, die in einer Verismo-Oper verlangt wird, ließ er hier und da hören, aber die Höhen bereiteten ihm och große Schwierigkeiten. An einigen Stellen, verzichtete er bewusst zu Gunsten von Ausdruck auf einen Ton. Etwas was mir, die findet, Prima le emozioni, sehr entgegen kommt. Dennoch blieb er darstellerisch sehr zurückhaltend. Gab seiner Tosca Hui Hè immer viel Platz um sich zu entfalten.

Aufführungsserie
La Primadonna assoluta und der Bösewicht mit schöner Stimme
Was diese auch selbstbewusst und, wie es einer Tosca zusteht, vollkommen auskostete. Sie hat eine wirklich große Stimme und weiß absolut mit ihr umzugehen. Crescendi fallen ihr ebensoleicht wie leise Töne, und das in allen Lagen. Doch darstellerisch berührte sie selten. Sie ist stets darauf bedacht, so lange es geht einigen Raum zwischen sich und ihre Partner zu bringen und sang zu 99% nach vorne, wandte sich ihren Partnern für meine Begriffe zu selten zu. Schade, denn so kamen Gefühle wie die Zärtlichkeit und Leidenschaft die in jedem Klang mitschwingen, zu kurz. Besonders ihr Vissi d’arte legte Zeugnis ab über ihr gesanglichen Fähigkeiten, doch so begeistert ich von ihrer Stimme war, konnte ich ihre tiefe Verzweiflung nur schwer glauben.
Doch genug der negativen Worte, meiner Meinung hatten einfach Andrzej Dobber als Scarpia und Alexander Joel mit dem Philharmonischen Staatsorchester Hamburg den Löwenanteil am Erfolg hatten.

Dobber war ein vielschichtiger Scarpia, schon sein erster Auftritt ist effektvoll geplant, kam er doch nicht mit seinen Schergen von der Seite, sondern erschien beim Fortissimo der Musik, zwischen zwei Säulen auf einem Podest, jener Dekoration wie sie in historischen Theatern üblich war. Sofort ist Scarpia omnipräsent, versprühte sein gehässiges Gift, zeigte seine Macht. Man glaubte ihm von Anfang an jedes Wort, jede Drohung. Im zweiten Akt dann bestach Dobbers souveräne Gelassenheit, bis er dann, trunken von Wein und Toscas Anwesenheit fast animalisch wirkte. Es schien als risse er Černoch und Hé mit seinem Spiel mit. Seine Stimme, die sanften schmeichelnden Töne, intensivieren diese Wirkung nur noch. Er zog wirklich alle Register in den Höhen, den Tiefen, der Mittellage. Er bot eine wundervolle Mischung aus Ausdruckskraft und gesanglichem Können: Ein Bösewicht „Stimm-Charisma“ eben.

Alexander Joel und die Philharmoniker gaben ihr Bestes an diesem Abend, zeichneten wunderschöne Spannungsbögen, setzten Akzente und das Zusammenspiel zwischen Bühne und Graben war in Bezug auf Tempi und Lautstärke fast nahezu perfekt.
Natürlich trugen auch die Nebenrollen zum Erfolg dieses Abends bei. Chao Deng war ein gehetzter Angelotti, Martin Summer nahm durch seinen schön gefärbten Bass, der Rolle des Sakristan, die Komik ohne den Humor zu vergessen. Peter Galliards Spoletta, erinnerte mich nicht wie sonst an Charles Dickens‘ kriecherischen Uriah Heep, sondern zeichnete seine Rolle auf andere Art und Weise böse und verschlagen.
Der große Applaus am Ende war von allen wohl verdient und ließ auch meine „Abers“ verstummen und aufrichtig miteinstimmen, denn Tosca ist und bleibt eine mitreißende Oper mit unsterblichen Melodien und das ist es doch, was zählt!
Birgit Kleinfeld, 04.10. 2021 (besuchte Vorstellung 02.10.2021)
Links
https://www.staatsoper-hamburg.de/
ttps://www.staatsorchester-hamburg.de
https://huihesoprano.com/
https://pavelcernoch.cz/web/
https://www.martinsummer.at/
https://www.operabase.com/artists/andrzej-dobber-1086/de
http://www.alexanderjoel.com/