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Staatsoper Hamburg: Szenen aus Goethes Faust: Musik zu vollendeter Poesie

Erneut gibt es eine konzertante Wiederaufnahme an der Staatsoper Hamburg: Robert Schumanns Szenen aus Goethes Faust mit Christian Gerhaher, Katherina Konradi, Franz-Josef Selig, Marie-Dominique Ryckmanns, Benjamin Bruns, KS Renate Spingler, Katja Pieweck und Hubert Kowalczyk. GMD Kent Nagano steht am Pult  des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg.

Schumann gewann seine Inspiration zu diesem Oratorium für Soli und Orchester, das aus drei „Abteilungen“ besteht, zum größten Teil aus Goethes „Faust, der Tragödie 2. Teil“. Nur die erste Abteilung bezieht sich auf „Faust, der Tragödie 1.Teil“ und die Verführung, Verurteilung und Seelenqualen Gretchens, die, von Mephisto gequält, zur Mater Dolorosa betet. Die Liebesgeschichte von Gretchen und Faust spielt also so gut wie überhaupt keine Rolle, Schumann verzichtet auf eine durchgehend erzählte Geschichte, setzt eher auf lose aneinandergefügte Szenen. In den beiden anderen Abteilungen geht es mehr um Metaphern und Allegorien.
Denn beziehen sich die Titel der ersten Abteilung noch direkt auf Faust und Gretchen: Szene im Garten, Gretchen vor dem Bild der Mater Dolorosa und Szene im Dom, so sind die zweite und dritte Abteilung mit  Sonnenaufgang, Mitternacht, Fausts Tod und Fausts Verklärung überschrieben.

Christian Gerhaher
Alle Fotos: Monika Ritterhaus

Für meinen Titel wandelte ich ein Zitat Schumanns ab,denn er fragte: Wozu Musik zu so vollendeter Poesie? Es mag ein wenig ketzerisch gegen Goethe klingen, ist aber nicht mehr als eine kleine eitle Wortspielerei meinerseits, wenn ich nun sage,dass es Momente in diesem Oratorium gibt, in denen ich  mich frage: Wozu Poesie zu so vollendeter Musik? Doch im Grunde ist dies doch der Beweis, dass Musik und Poesie eine perfekte Einheit bilden. Eine Einheit, der Joachim Freyer durch seine Inszenierung von 2019(siehe Fotos). eine Art optischen Orientierungsrahmen gab, die aber auch pur beeindruckt.

Beeindruckend oder zumindest sehr interessant ist auch hin und wieder, sei es in einem Konzert oder wie heute bei einer konzertanten Aufführung, GMD Kent Nagano beobachten zu können. Zu  sehen, wie intensiv er auch auf die Chöre in den Rängen eingeht, hilft vielleicht, nicht zu schnell ein allzu negatives Urteil zu treffen. Heute zumindest stimmte die Leistung des Vierergestirns Kent Nagano – Philharmonisches Staatsorchester Hamburg – Chor der Hamburgischen Staatsoper – Sänger.

Alle Fotos: Monika Ritterhaus

Kein Sänger hat in diesem Werk eine durchgehende Rolle, jeder singt verschiedene, zum Stimmenfach passende Partien. So auch Bariton Christian Gerhaher, der  unter anderem auch die Titelpartie, den Faust, singt. Obwohl mich Gerhahers tenorale Höhen noch immer beeindrucken, können mich weder seine Interpretation noch seine Versuche, schauspielerisch zu agieren, begeistern. Seine Gesten sind nach meinem Empfinden  zu groß und zu viel für jemandem, der hinter einem Notenpult steht, passten besser in eine szenische Aufführung. Auch spricht mich eine gesangliche Interpretation mehr an,  die, wie ich es zumindest während der ersten beiden Abteilungen empfand, nicht fast vollständig auf Legato verzichtet. Im dritten Teil allerdings, gab es Augenblicke in Gerhahers Darstellung, die auch mir gut gefielen, mich berührten.

Katherina Konradi allerdings berührt mit Stimme und Interpretation von Anfang an. Ihre Höhen klingen so klar und mühelos, und mit eben solcher Leichtigkeit bringt sie uns Gretchens Verliebtheit und ihren verzweifelten Versuch,Halt im Gebet zu finden, nahe. Im dritten Teil dann gelingt es ihr, zusammen mit Sopranistin Marie-Dominique Ryckmanns und den beiden Mezzosopranistinnen KS Renate Spingler und Katja Pieweck, den sakralen, ja reinen Charakter von Schumanns Musik  wunderschön klingend mit Leben zu füllen.

Alle Fotos Monika Ritterhaus

Die  zweite Sopranistin des Abends Marie-Dominique Ryckmanns, Mitglied des Internationalen Opernstudios Hamburg, empfahl sich mit ihrer Leistung für viele weitere und  auch größere Rollen hier  an der Staatsoper Hamburg. In dieser Spielzeit wartet unter anderem noch ihre Giannetta in Donizettis Der Liebestrank auf uns und die Sopranpartie in Lorenzo Romanos neuem Werk La Luna.
Ähnliches gilt für den Absolventen des Opernstudios und frisch zum Ensemble gehörenden Hubert Kowalczyk, ein Nachwuchsbass, der Hoffnung macht und sich noch diesen Monat als Hauptmann in  Tschaikowskys Eugen Onegin und als Pistola in Verdis Falstaff beweisen darf.

Alle Fotos; Monika Ritterhaus

Franz-Josef Selig, der andere Bass an diesem Abend,  besitzt eine Stimme mit besonders volltönendem Klang, die auch in den Tiefen die Klarheit nicht verliert, und Selig hier für den Mephisto oder auch den Gretchen drohenden bösen Geist prädestiniert.

Benjamin Bruns hingegen hat seinen wandelbaren Tenor hell und leicht geführt, genau passend zu einer Rolle wie Ariel . die anderen Partien in diesem Oratorium oder auch die Mozart-Rollen (Tamino, Belmonte) in seinem Repertoire. Zu diesem gehören aber  auch der Erik aus Wagners Der fliegende Holländer und der Lohengrin. Hier an der Staatsoper Hamburg wird er noch diese Spielzeit als Florestan in Beethovens Fidelio zu sehen sein. Dies erwarte ich nach seinem Auftritt in Schumanns Werk mit größter Spannung.

Fazit: Ein Abend voller schöner Momente und Melodien, der eine szenische Umsetzung verdient  hätte, aber auch ohne, allein durch die Musik, verzaubert.

Birgit Kleinfeld, besuchte Vorstellung 14.09.2021

Links:

https://www.staatsoper-hamburg.de/

https://www.gerhaher.de/index.php/de/

https://www.katharina-konradi.com/

https://www.marie-dominique-ryckmanns.com

/http://www.benjaminbruns.com/

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