Opern- und Leben(s)gestalten

Nomen ist nicht immer Omen, oft reicht er nicht allein, da hinter kann noch viel mehr „wohnen“! Kommt! Schaut doch einfach rein!

Eine internationale Melange zum Hören und Spüren

Die schweizerische Liebe zum Detail, englische Finesse kombiniert mit einem Hauch orientalischer Melancholie machen dieses Alum zu dem was es ist: eine Melange an Kulturen, Emotionen, Epochen.“ (Ilker Arcayürek)

Das neue Allbum des türkischstämmigen Tenors Ilker Arcayürek auf dem er, begleitet von Simon Lepper am Klavier, Lieder von Franz Schubert singt, gehört zu jenen Produktionen, die schon vor dem ersten Hören bestechen. Nicht nur, dass auch PROSPERO auf lieblose Plastikhüllen und Hochglanbroschürchen zugunsten von kleinen, informativen Büchlein verzichten.
PROSPERO hat außerdem den marokkanischen/Künstler Achraf Baznani mit der Gestaltung beauftragt. Auf seinem Facebook-Profil beschreibt er sich als Artist and Troublemaker. Die Cover- und auch Innengestaltung hier allerdings zeugt von Tiefe und Nachdenklichkeit, Empathie. Jedes von Baznanis Bildern erzählt eine Geschichte. Surrealistisch verträumte Schritte auf dem Pfad des Lebens. Ja, die Werke von Baznani, passen gut zu den Melodien Schuberts. Sind sie doch selbst mehr als nur amuses pour les yeux, poetisch wie die Worte der verwendeten Gedichte, melancholisch verspielt wie die Musik. Der Titel des Coverbildes ist: Das Unvermeidliche. Wirklich, es ist unvermeidlich sich von Baznani inspirieren zu lassen. Sei es wie mich zu einigen Zeilen oder — viel wichtiger– den Tenor Ilker Arcayürek zu der Liedauswahl auf diesem Album.

Unvermeidliche Inspiration

Der fotografierte Fotograf
Ein Bild meiner selbst
Stets wieder neu. Fremd? Vertraut?
Betrachte nicht! Sieh!
Foto: A.Baznani/ Worte B. Kleinfeld

Liebe, Resignation, Erlösung

The Path of life bietet mehr als schön gesungene Lieder. Denn die Entwicklung hin zu liebevoller Gestaltung um die eigentliche Darbietung herum, macht nicht einfach Halt beim Design. Neben Liedtexten und Kurzbiografie bietet man uns auch Einblick in die Gedanken von Ilker Arcayürek zu Konzeption und Bedeutung des Albums für die Künstler. Auch führt er den Hörer durch Themen wie Liebe, Verlangen und der Suche nach innerem Frieden, beschreibt die dem jeweiligen Thema zugeordneten Lieder und auch ihre Entstehung.
Kurz, wir bekommen eine Art Leitpfaden in die Hand. Können so den akustischen Weg durch das Auf und Ab des Lebens noch intensiver gehen. Wir lauschen ihnen noch aufmerksamer, den Liedern, die einen Lebensweg beschreiben, den ein jeder von uns auf die eine oder andere Weise geht und den Dichter der Lieder wie zum Beispiel Johann Wolfgang von Goethe, Schmidt von Lübeck, Karoline Pichler oder auch William Shakespeare, (in der Übersetzung von Eduard von Bauernfeld) schon gegangen sind, Und natürlich Franz Schubert, der den Worten seine klingende Poesie hinzufügt. Um so ganz im Sinne von Victor Hugos Zitat: auszudrücken, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist.

Foto (c): Ilker Arcayürek/Simon Lepper

… willst bess’re besitzen, so ….

Der Lindenbaum, Das Wandern ist der Müllers Lust, Heideröslein. Drei Schubert Lieder von denen ich überzeugt bin, die meisten Menschen meiner Generation und älter können sie spontan und ad hoc zumindest summen. Einigen gelingt vielleicht auch Der Erlkönig und Die Forelle. Ich beziehe mich da auf Laien wie mich, denn jene die professionell klassische Musik singen und sich nicht alleine auf konzentrieren Opernrollen wollen, kommen an den Liedern von Schubert nicht vorbei. Die Anzahl an Interpreten seiner Werke, sei es auf einer Bühne oder für eine CD-Produktion, ist immense. Jede Vorliebe für Geschlecht, Stimmlage oder auch Interpretationsart wird bedient. Kurz: Auswahl, wie auch Konkurrenz sind groß.
Dies ist der Grund warum ich mich eines weiteren Zitates bediene. Einer Zeile von Wolfgang Johann von Goethes Text zu Liebhaber in allen Gestalten, die so endet: „ … lass sie dir schnitzen. Ich bin wie ich bin. So nimm mich nur hin!“ Denn diese Aufnahme gehört zu jenen, die wirklich wie „für mich geschnitzt“ sind.

Ilker Arcayürek Foto: ebenfalls.

Als junges Mädchen erlebte ich meinen ersten Liederabend: Der Bariton Hermann Prey sang (unter anderem?) Schubert. Es sei mir verziehen, aber ich empfand seinen Vortrag als zu pathetisch. Es ist nicht abzustreiten, dass mir damals das Verständnis für Schönheit und Bedeutung des Kunstliedes fehlte. Aber eines ist geblieben, ich schätze, ob in der Oper oder beim Lied, Authentizität und empfundene Emotionen. Es gibt einige Künstler, bei denen ich auch heute noch das Gefühl habe, sie stellen die eigene Person über das Darzubietende.
Das ist hier ganz und gar nicht der Fall. Arcayürek und Lepper, beide auf ihre Art erfahren im Liedgesang, erzählen mithilfe von Schuberts Musik eine Geschichte, die Fröhlichkeit und Leichtigkeit ebenso beinhaltet wie Trauer, Wut, Melancholie.
Arcayüreks Stimme und Leppers Spiel fließen und rauschen gemeinsam dahin ohne jemals oberflächlich zu plätschern. Auch nach intensiver Beschäftigungen mit der Paarung Sänger*in/Pianist*in fällt es mit immer noch recht schwer, letzteren so darzustellen, wie es diese Position verdient. Als mehr als nur einen Begleiter. Denn es ist doch soviel mehr, steht doch die Interpretation des einen stets im direkten Zusammenhang mit der des anderen.

Simon Lepper Foto Ilker Arcayürek

Für mich sind auch diese beiden, die bereits das Schubert-Album Der Einsame zusammen aufnahmen und auf verschiedenen Bühnen mit einem Schubert-Programm auftraten, eine ideale Paarung. Lepper untermalt jeden Ton, jede Farbe in Arcayüreks Stimme ohne sie zu ersticken und gleichzeitig gelingt es auch dem Tenor zu zeigen, dass die Pianobegleitung wichtig und unabdingbar ist.
Arcayürek malt mit seinem Gesang die Bilder, die die Dichter und der Komponist uns schicken und schenken wollen. Seine Textverständlichkeit fasziniert ebenso wie seine Stimmführung, die in jeder Lage sicher und ausdrucksvoll ist. Und doch von jener Natürlichkeit, wie sie zu Schubert passt, dessen Tiefgründigkeit sich ja gerade aus diesem Mittel ergibt.
Liebhaber in alle Gestalten lässt schmunzeln, Fischerweise, Du bist die Ruhe, Die Sterne, Willkommen und Abschied und nicht zuletzt An Silvia, sind die Lieder, die ich als jene nennen möchte, die meine Favoriten sind.
Überzeugt hat mich die gesamte CD, die ein Beweis dafür ist wie anspruchsvoll und wenn gemeistert, schon die Stimmlage des lyrischen Tenors ist, der in einigen Opern, besonders des italienischen oder französischen Fachs, zugunsten des Spinto oder jugendlichem Heldentenors, meines Erachtens ein wenig vernachlässigt wird.
Birgit Kleinfeld, 18.4.2021

Fliegende Träume
Verlasse den steinigen Boden
von Lebens Realität.
Hinab schau ich von hier oben.
Zum Träumen ist’s nie zu spät°
Foto: A.Baznani/ Worte B. Kleinfeld

Links:
Ilker Arcayürek auf youtube:
https://www.youtube.com/channel/UCO1ETEuvx4rBNgKuhEvi-2A
Simon Lepper:
https://www.simonlepper.com/
Achraf Baznani
https://www.baznani.com/
PROSPERO
https://prospero-classical.com/

Weiter Beitrag

Zurück Beitrag

Antworten

© 2023 Opern- und Leben(s)gestalten

Thema von Anders Norén