Opern- und Leben(s)gestalten

Nomen ist nicht immer Omen, oft reicht er nicht allein, da hinter kann noch viel mehr „wohnen“! Kommt! Schaut doch einfach rein!

Bellinis La Ricordanza – Rossini + Bellini = Mironov²

Leider fiel das hier im Artikel Questo è Rossini angekündigte Konzert mit Tenor Maxim Mironov an der Staatsoper Hamburg den neuen Covid-19 Bestimmungen zum Opfer, sodass nur die Hoffnung bleibt den russischen Tenor 2021 live erleben zu dürfen. Denn auf Dauer, und das gilt auch für Opern-, Ballett-, Theater- und sonstige Aufführungen: kein technisches Medium ersetzt einen Vorstellungs- oder Konzertbesuch. Sind dies doch Erlebnisse, die mehrere Sinne ansprechen und daneben auch die Möglichkeit bieten, sich direkt auszutauschen. Und sei es nur durch gemeinsames Jubeln oder auch dadurch dass verbal oder nonverbal eine Enttäuschung geteilt wird.
Ganz zu schweigen davon, welche Nachteile und Existenzängste es für viele im Kulturbereich Beschäftigte Theaterschließungen mit sich bringen.
Fußball und anderen Sportarten wird zugebilligt wichtig zu sein, dass sie große Teile der Gesellschaft verbinden. Aber tun Kunst und Kultur das nicht auch? Von mir gibt es ein klares und lautes Ja!!!! dazu. Und, auch wenn es für diesen Artikel nicht relevant ist, muss ich einfach betonen, dass Kunst und Kultur natürlich systemrelevant sind und hoffentlich auch immer bleiben dürfen.

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Vincenzo Bellini La Ricordanza Titelliste / Alle Fotos Illiria Productions

Der Artikel begann mit einem „leider“. Nun folgt das „aber“: Aber wie schön, dass es elektronische Medien wie CDs gibt um sich, jene, die man gerne auf der Bühne sieht, zu sich nachhause zu holen, wo man dann zumindest schöne Musik und schöne Stimmen hören kann. Tenor Maxim Mironov, Pianist Richard Barker und Illiria-Productions, eine kleine aber feine Produktionsfirma, auf die ich aus Überzeugung für die Qualität gerne aufmerksam mache, gelingt auch mit dieser CD eine kleine Entführung aus dem Alltag hinein in die Zeiten der Salonmusik.
Wieder widmen sich Mironov und Barker einem der großen Komponisten des Belcanto, nämlich Vincenzo Bellini. Er, der 1835 mit nicht einmal 34 Jahren verstarb, hinterließ klang-opulente Werke wie Die Puritaner, La Sonnambula, I Capuleti e Montecchi und natürlich Norma. Opern, die schier überquellen von Melodien, deren komplexe Klangvielfalt das Publikum fasziniert und von den Ausführenden hohe technische Fähigkeiten ebenso wie intensive Ausdruckskraft verlangt.
Doch Bellini ist auch ein Meister der zarten Töne, der sanften Hingabe an Melancholie und Trauer, wie die Arie de Camera La Ricordanza auf dieser Aufnahme beweisen. Es handelt sich dabei um Lieder, die sich mit der Erinnerung (La Ricordanza) an vergangene und verlorene Liebe(n) beschäftigen. In dem aufwendig und liebevoll gestalteten Hardcover-Beilageheft, das zu einer limitierten (500) und nummerierten Edition gehört, finden sich sich nicht nur die Texte der einzelnen Stücke, sondern auch kurze Erklärungen zu deren Entstehungsgeschichte. In italienischer, wie englischer Sprache und mit Fotos und kleinen Vignetten verziert.

Aus dem CD-Beilageheft Alle Fotos: Illiria-Productions

Wichtiger als die optische, ist natürlich die akustische Qualität. Auch hier erwartet uns etwas Besonderes. Die Stücke 1-11 , die Bellini in Italien komponierte werden auf einem Flügel des Klavierbauers Conrad Graf (1785-1851) gespielt. Es stammt ungefähr aus dem Jahr 1820 und ähnelt jenem Bellinis. Die Lieder, die die Bellini in Paris komponierte spielt Barker auf einem Pianoforte der französischen Firma Pleyel, ca. aus dem Jahr 1850.
Es mag Leser geben, die über diese Erwähnung lächeln, doch glauben Sie mir, einem historischem, hochwertigen Instrument wohnt ein ganz besonderer Klangzauber inne. Richard Barker und Maxim Mironov gelingt es, diesem Zauber ihre ganz eigenen hinzuzufügen.
Auch hier ist Barker der einfühlsame Begleiter. Stets ist sein Spiel geprägt von Leichtigkeit und oft auch von einer gewissen Behutsamkeit im Anschlag, die ich als absolute Sicherheit in Technik und Ausdruck verstanden wissen möchte. Nichts an Barkers Spiel ist aufdringlich, jede Note zeugt von Liebe zu Bellinis Musik und dem Willen zusammen mit Mironov, Tönen, Tempi und Text gerecht zu werden. Und ihnen so Leben einzuhauchen, das fesselt und berührt, da es dem Charakter des jeweiligen Lieds, der jeweiligen Erinnerung entspricht.

Richard Barker (Foto: Privat) / Maxim Mironov Foro Illiria Producttions


Maxim Mironov mit seinem einschmeichelndem, unverwechsel- baren Timbre beweist das Liedkunst mehr als nur anspruchsvoll schön ist. Oh, schön ist Mironovs Sangeskunst ohne Zweifel. Seine Stimme ist wandelbar und beweglich, eine Mischung aus lyrischem Tenor und Tenore di Grazia. Daneben gelingt es ihm mühelos uns davon zu überzeugen,, dass er nicht nur Sänger eines Liedes ist, sondern in der Lage, alle Emotionen hörbar nachzuempfinden. Sei es beispielsweise die tiefe Sehnsucht in Vaga Luna Che Inargenti , den Wagemut und die wilde Entschlossenheit in Les Joyeux Matelôts, die süße Melancholie in Le Souvenir oder auch verspielte Verliebtheit in dem Lied an die Rose. die er für die Liebste pflückt in Vanne O Rosa Fortunata.

Alles in allem ist auch dies eine CD abseits vom Mainstream, die wie schon anfangs erwähnt dazu verführt die Augen zu schließen und in die Rolle eines/einer vornehmen Besucher*in eines der Salonkonzerte zu schlüpfen, als diese en vogue und die beiden hier benutzten Flügel noch so gut wie fabrikneu waren.
Erlauben Sie mir nun abschließend Ihnen dieses Making-of-Video zu zeigen, denn es macht sichtbar, was ich in Worte zu fassen versuchte: Die Hingabe aller Beteiligten an dieses Produkt.

Behalten Sie alle Ihre Liebe zur Musik und bleiben Sie gesund!
Birgit Kleinfeld (10.11.2020)

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